Vollmeisen
drauÃen mehr als verstört an die Haustür. Und mehr ging auch nicht, statt schnell wegzurennen, versagten mir schon wieder die Knie, und ich landete das zweite Mal innerhalb von zwanzig Minuten auf dem Boden.
Gerade als ich den Kopf zwischen die Knie steckte und versuchte, mich zu beruhigen, berührte mich eine Hand an der Schulter.
Wie von der Tarantel gestochen, sprang ich auf â und blickte in die dunkelblauesten Augen, die ich je gesehen hatte. Vor mir stand ein Mann, wie ich ihn mir immer gewünscht hatte. GroÃ, Muskeln an den richtigen Stellen, dunkle, fast schwarze Haare und dann diese Augen, unglaublich. Nun war ich sicher, dass dieser ganze verrückte Tag nur ein Traum sein konnte. Genau, ich lag in der Töpferwerkstatt und träumte, so musste es sein. In welchem Leben passierte es schlieÃlich schon, dass man sich erst arbeitslos meldete, dann von einem dicken Mann überfallen und eingeschüchtert wurde, nur um anschlieÃend seinem persönlichen Traummann in die Augen zu schauen? Aber wenn dies ein Traum war, dann fing er jetzt endlich an, mir Spaà zu machen.
»Geht es Ihnen gut? Brauchen Sie Hilfe?«, fragte er mich mit einer so warmen Stimme, dass ich sicher war, im Paradies zu sein.
»Jetzt weià ichâs. Er war Belgier!«, rief ich diesem Traumtypen zu. »Ich wusste doch, dass ich diesen Dialekt schon mal gehört habe. Wussten Sie, dass es Belgisch als Sprache nicht gibt? Aber er sprach ein belgisches Holländisch, wenn Sie verstehen, was ich meine. Er war ein dicker Belgier und ⦠O Gott! Er weià ja, wer ich bin! Er kannte meinen Namen und wusste, wo meine Eltern wohnen, woher wusste der das denn??«
»Pst, ganz ruhig, es ist alles gut, ich bin ja da.«
Du meine Güte, welche Frau kann denn solchen Worten widerstehen?
»Soll ich Sie zur Polizei bringen, oder brauchen Sie ärztliche Hilfe?«
Nein, wollte ich antworten, ich will nur dich, aber tatsächlich sagte ich: »Weià auch nicht, nein, ich glaube, ich will nur nach Hause.«
»Okay, kommen Sie, ich fahre Sie nach Hause. Ich heiÃe übrigens Nick, und da drüben steht mein Wagen.« Er verfrachtete mich in eine glänzende C-Klasse und fuhr los.
Plötzlich wurde ich panisch. Vielleicht eine verspätete Reaktion auf das eben Erlebte. War das nicht zu viel des Guten? Ein völlig Fremder kam ganz zufällig nach dem gleichzeitig schrecklichsten und merkwürdigsten Erlebnis meines Lebens vorbei, fragte nicht nach Einzelheiten, holte nicht die Polizei, sondern fuhr mich ganz selbstverständlich nach Hause, ganz einfach so? Hier stimmte doch was nicht. An der nächsten roten Ampel löste ich meinen Gurt und sprang fast gleichzeitig auf die StraÃe. Weg, nichts wie weg. Ich hörte Nick noch rufen, aber was zu viel war, war zu viel. Ich rannte in eine FuÃgängerzone, schlug ein paar Haken und hielt zwei Ecken weiter ein Taxi an. Nach Hause, nur nach Hause, auch wenn ich mir mein Domizil mit Töpferscheibe, schiefen Ãbertöpfen und Ton teilen musste.
Meine Mutter war unterwegs, und ich lieà mich erstmal auf einen Küchenstuhl sinken. Himmel, was war denn das gewesen? Und wieso passierten immer mir so schräge Sachen? Vielleicht war ich aber auch zu theatralisch und reagierte einfach nur ein ganz kleines bisschen über? Okay, der dicke Belgier war gruselig, aber dafür gab es bestimmt eine ganz einfache Erklärung. Wahrscheinlich ein Geschäftspartner von Simon, der von ihm noch Geld bekam und es lustig fand, mich zu erschrecken. Was weià ich schlieÃlich schon über belgischen Humor? Und dieser Nick war einfach nur ein total süÃer Typ, der mir helfen wollte. Da er mich nach meiner Flucht aus seinem Auto ganz sicher für eine Bekloppte hält, kann ich nur hoffen, ihn nie wiederzusehen. Also, wieder runterkommen und nach vorne schauen. Genau. Ich rief bei meiner alten Uni an und bat darum, mir eine Studienbescheinigung zu schicken, und kam mir danach so richtig effizient vor. Also guckte ich auch gleich noch die Stellenanzeigen durch. Eine Versicherungsagentur suchte eine Mitarbeiterin für den Empfang mit angenehmer Telefonstimme. Das warâs doch. Solide und auch noch in der Nähe. Ich rief sofort an, und einem Herrn Eckel schien meine Stimme zu gefallen, ich sollte ihm meine Bewerbungsunterlagen zuschicken, und er wollte sich dann bei mir melden.
Endlich mal etwas Erfreuliches. Und
Weitere Kostenlose Bücher