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Vollmeisen

Vollmeisen

Titel: Vollmeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klein Kerstin
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Kerl hatte einen ganz merkwürdigen Dialekt, aber ich kam nicht drauf, welcher das war. Und welchen Drecksack meinte er? Wenn er sich nicht in der Wohnung geirrt hatte, konnte er nur Simon meinen. Aber ich bekam immer noch keinen Ton heraus, wie denn auch, wenn ein Hundertfünfzig-Kilo-Mann auf meinem Bauch saß. Das wurde ihm wohl auch klar, er wuchtete sich hoch, mich gleich anschließend und schob mich ins Wohnzimmer. Das hatte allerdings überhaupt keine Ähnlichkeit mehr mit der puristischen Ordnung, die Simon so liebte. Alles war aus den eingebauten Regalen gerissen, die teure Stereoanlage nur noch ein trauriger Blechfriedhof und die edlen Designermöbel aufgeschlitzt.
    Â»So, du sitzt jetzt da hin. Und Schluss mit Gucken, ich will nur wissen, ich töten keine schöne Frauen.«
    Ich landete in meinem alten, jetzt verstümmelten Lieblingssessel (Leder, Rolf Benz , Kollektion 1978) und brach erstmal in Tränen aus. Großartig Alice, immer cool bleiben, stimmt’s? Dann brachte ich immerhin sehr originell ein: »Wwwwwer sind Sie, wwwas wwwollen Sie von mir?«
    Â»Ich will wissen, wo der Drecksack ist, und du erzählst es mir.«
    Â»Sind Sie sicher, dass Sie sich nicht in der Adresse geirrt haben? Hier wohnt nur Simon, und es stimmt schon, mir gegenüber hat er sich wirklich fies verhalten, aber das tut ihm jetzt ja vielleicht schon wieder leid.«
    Der dicke Riese fing nun auch noch zu lachen an. »Ich bin Profi, Blondchen, ich kenn meine Adressen. Also, wo ist er, und wann kommt er wieder?«
    Â»Ich weiß es nicht. Er hat mich vor zwei Wochen rausgeschmissen und ist mit seiner Neuen in den Urlaub gefahren, er hat mir weder gesagt, wohin, noch wer sie ist.«
    Â»So. Wenn er dich hat abgespeist, was machst du hier?«
    Nun wurde es auch noch peinlich. »Na ja, es könnte doch sein, dass er mittlerweile gemerkt hat, dass es ein Fehler war, sich von mir zu trennen, oder nicht?«, erwiderte ich leicht trotzig. »Und vielleicht traut er sich nicht, mich anzurufen, kann doch sein.«
    Der Dicke lachte schon wieder, für einen Einbrecher oder was immer er darstellte, war er ganz schön fröhlich. »Du bist zum Erbarmen, ja? Läufst Mann hinterher, der dich nicht will.« Leider erinnerte er sich dann aber doch wieder an seine Mission. »So, jetzt aufhören mit Plapperei. Du rufst jetzt an den Mann und holst ihn mir her.«
    Jetzt müsste ich natürlich nur ganz cool eine Augenbraue hochziehen und ganz abgebrüht sagen: »Such ihn dir selbst, Fettsack, das ist nicht mehr meine Nummer.« Aber ich hatte ja schon festgestellt, dass ich weder über Coolness noch über Abgebrühtheit im Umgang mit Verbrechern verfügte. Ganz im Gegenteil, ich machte mir immer noch fast vor Angst in die Hose, darum hatte ich gar keine Einwände, als mein kriminelles Gegenüber meine Handtasche aus dem Flur holte und mir daraus mein Handy gab. Sprach nicht gerade für mich, dass er es nicht mal für nötig hielt, mich die ganze Zeit im Auge zu behalten.
    Glück für Simon, sein Handy war ausgeschaltet. Das schien den Dicken nicht zu überraschen und auch nicht zu stören. »Du gibst mir jetzt deinen Namen und deine Adresse, und dann wirst du helfen, meinen Mann zu finden.«
    Ja, klar. Blond ist nicht immer gleichbedeutend mit blöd. »Natürlich helfe ich Ihnen«, sagte ich so charmant, wie ich unter diesen Umständen sein konnte. »Ich heiße Susanne Hochstetten und wohne in der Gartenstraße 23.« Bevor ich auch nur Luft holen konnte, wurde ich hochgerissen und an die Wand gedrückt. Verdammt, jetzt würde ich mir gleich wirklich in die Hose machen.
    Â»Versuch nie wieder, mich zu verarschen, Alice Wörthing. Und schöne Gruß an deine Eltern im Rübezahlweg. Wir beide sehen uns!« Sprach’s und verschwand so plötzlich, wie er aufgetaucht war.
    Ich rutschte an der Wand herunter, zitterte und heulte. Gleichzeitig versuchte ich, wieder Luft zu bekommen. Dann rappelte ich mich auf, verschloss die Wohnungstür von innen und ging mit wankenden Knien zurück ins Wohnzimmer. Das war doch nicht wirklich gerade passiert, oder? Beim Anblick des verwüsteten Wohnzimmers wurde mir aber schnell klar, dass es kein Traum gewesen sein konnte, und plötzlich hatte ich nur noch ein Bedürfnis – ganz schnell raus hier. Ich rannte aus der Wohnung, das Treppenhaus runter und drückte mich

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