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Vollmondkuss

Titel: Vollmondkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schroeder
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aus der Stadtbibliothek aus. Jetzt sollten wir uns aber sputen«, sagte sie und setzte eine übertrieben geschäftige Miene auf. »Die Nachrichten fangen jede Sekunde an.«
     
    Als sie das Wohnzimmer betraten, hatte Paula bereits drei Gläser und eine Schale Knabberzeug auf den Tisch gestellt. In der Hand hielt sie eine Flasche Rotwein, in die sie gerade einen Korkenzieher drehte.
    »Das Ganze ist also längst beschlossene Sache gewesen«, sagte Jolin und ließ sich grinsend aufs Sofa fallen.
    »Natürlich, mein Schatz«, erwiderte ihre Mutter. Sie klemmte sich die Weinflasche zwischen die Beine und zog den Korken heraus. »So oft sitzen wir in letzter Zeit ja nicht mehr beieinander. Und wer weiß ...«
    »Was?«, fragte Jolin.
    »Na ja, wie lange du noch bei uns bist«, sagte Gunnar. »Im nächsten Frühjahr wirst du achtzehn. Bis zum Abitur und dann ...«
    »Das sind noch anderthalb Jahre!«, stieß Jolin hervor. Eine Zeit, die ihr ewig vorkam. Noch etliche Klausuren. Vorbereitungen. Lernen.
    »Anderthalb Jahre vergehen schneller, als man denkt«, erwiderte ihre Mutter. Sie schenkte einen Schluck Wein in Gunnars Glas und ließ ihn probieren. Erst als er lächelnd nickte, füllte sie alle drei Gläser zu Dreivierteln.
    »Und nach dem Abitur bist du vielleicht schneller weg, als du dir vorstellen kannst«, sagte Gunnar Johansson. »Paula hat mir erzählt, dass es dich in den Norden zieht.«
    »Ja, in den Ferien.« Jolin schüttelte den Kopf. »Aber das heißt doch nicht, dass ich für immer dort leben will.«
    »Das sagt ja niemand«, erwiderte ihre Mutter. Sie setzte sich neben Jolin und legte den Arm um ihre Schultern. »Aber vielleicht willst du es für eine Weile ausprobieren. In Oslo, Kopenhagen oder Stockholm kann man schließlich auch studieren.«
    »Ma!« Obwohl ihre Eltern ihr Freiheit signalisierten, fühlte sie sich auf einmal gefangen. »Wie kannst du denn bloß denken ...? Nur weil ich heute Morgen von Skandinavien gesprochen habe!« Fassungslos blickte sie-von einem zum anderen. »Ich weiß doch selber noch überhaupt nicht ...«
    »Eben.« Gunnar hob beschwichtigend die Hand. »Und wir sind bestimmt die Letzten, die dich da irgendwie festnageln wollen.« Der Tonfall in seiner Stimmte änderte sich, plötzlich klang er richtig feierlich. »Alles, was wir dir sagen wollen, ist, dass wir für deine Wünsche und Pläne offen sind und dich immer unterstützen werden. Ganz egal, was du vielleicht irgendwann tun wirst, wir wissen, dass du nicht ewig mit uns in dieser Wohnung hocken bleibst. Und wir möchten die Zeit, die wir noch mit dir haben, ganz einfach genießen.«
    Er hob sein Weinglas und prostete ihr und Paula zu.
    »Mein Gott, klar ...«, sagte Jolin. Alles in ihr sträubte sich, ihr Glas zu nehmen. Sie fühlte sich überrannt. Dabei kannte sie ihren Vater und seine plötzlichen sentimentalen Ausbrüche zur Genüge. Und sie waren ja auch durchaus liebenswert. Wenn sie nur nicht immer so plötzlich, so unvermutet kämen!
    »Nun trink schon«, ermunterte ihre Mutter sie. »Es ist wirklich ein ganz vorzüglicher Tropfen. Und gar nicht mal so teuer.« Stolz schwang in ihrer Stimme. Ja, sie war die perfekte Hausfrau. Und nur zu offenbar war sie es mit ganzer Seele.
    Jolin nahm ihr Glas auf und stieß es leise klirrend gegen das von Paula. »Prost, Ma ... Prost, Pa.«
    Der Wein war wirklich gut. Wunderbar füllig und angenehm fruchtig, dabei nicht zu schwer. Mehr als ein Glas würde sie davon aber nicht trinken können, sonst würde sie am nächsten Morgen gar nicht aus dem Bett kommen. Am nächsten Morgen - unwillkürlich dachte Jolin an Rouben. Sie spürte, wie sich ihr Puls beschleunigte. »Wollten wir nicht einen Film gucken?«, fragte sie, trank rasch noch einen Schluck und stellte ihr Glas auf den Tisch zurück.
    Ihr Vater sah sie überrascht an. »Ich dachte, du kennst ihn schon.«
    Jolin zuckte die Schultern. »Deshalb muss ich euch ja nicht den Spaß verderben«, sagte sie. »Außerdem ist der Film wirklich gut. Ich kann ihn also gerne noch ein zweites Mal ansehen.«
    Gunnar runzelte die Stirn. »Sicher?«
    Jolin lächelte. »Sicher.« Sie lehnte sich an Paulas Schulter und blickte erwartungsvoll zum Fernsehgerät hinüber. Nur nicht wieder an Rouben denken. Oder an Klarisse, an Anna und die anderen.
    »Also gut.« Gunnar Johansson griff nach der Fernbedienung, und eine Sekunde später flackerte der Bildschirm auf. Die Nachrichten liefen noch.
    »... im Park gefunden«, las der

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