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Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Titel: Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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Gaumen ist wund. Der Patient ist müde und spürt meist jetzt schon erste Schmerzen in den Gliedern.«
    Carl nickte.
    »Du läufst jetzt zum Smutje und bittest ihn um Brandy. Wir haben noch ein Fässchen Zitronensaft bei uns. Hiervon werden wir ein wenig mit dem Brandy mischen und dem Patienten täglich sechs Unzen verabreichen. Das müsste ihn wiederherstellen.«
    Seth nickte und sprang davon.
    Mary ließ Carls Lippe wieder los.
    »Ich denke, der Junge spricht nicht. Wie soll er beim Smutje dann Zitronensaft bekommen?«, fragte er und rieb sich die Lippe.
    »Seth ist hilfsbereit, vielleicht wird eine der Aufgaben, die ich ihm übertrage, seine Zunge wieder lösen. Wer weiß   …«
    »Manchmal erinnerst du mich an Franklin, er war ähnlich raffiniert.«
    »Er war mir ein guter Lehrmeister.« Für einen Moment legte sich Stille über sie.
    »Ja, Marc, das glaube ich, dass Franklin dir ein Lehrmeister war, wie es so schnell keinen Zweiten mehr geben wird.« Es war nur ein kurzer Blick, den Mary ihm zuwarf.
    »Ich meine das ernst. Ich bin sehr zufrieden mit unserer Zusammenarbeit.«
    Carl war sich nicht sicher, ob ihre Hände zitterten oder ob es seine müden Augen waren, die ihn täuschten. Da sie nichts entgegnete, fuhr er fort. »Ich habe von der Royal Society den Auftrag erhalten, die Forschungen im Pazifik zu intensivieren. Aus diesem Grund werde ich vor Ort auf Tahiti bleiben. Der Plan war, dass Franklin mit der
Sailing Queen
zurückreist. Er sollte die bis dahin gesammelten Fundstücke mitnehmen und sie auf der Rückfahrt ordnen und katalogisieren. Es war vereinbart, dass er von London aus Vorkehrungen trifft, damit ich in ein bis zwei Jahren abgeholt werde.«
    Die Frau stand vor ihm, schaute nicht auf, hielt ihm den Rücken zugewandt und sortierte Zeichnungen, die überarbeitet werden mussten. Konnte sie nicht für diesen Moment in ihrem Arbeitseifer innehalten und sich ihm zuwenden, fragte Carl sich und fühlte immer noch den Druck ihrer Finger auf seiner Haut.
    »Wie kannst du sicher sein, dass man dich abholt?«
    »Dahinter steht ein Vorhaben der Royal Society, das vor allem von Sir Joseph Banks vorangetrieben wird. Man beabsichtigt, die Ergebnisse der Forschungen auszuwerten und zum finanziellen Vorteil der Gesellschaft zu nutzen. Du kannst dir sicher vorstellen, dass wirtschaftliche Interessen ein nicht zu unterschätzender Beweggrund sind, sich zu engagieren. Insofern waren Sir JosephBanks und ich bei unserem letzten Gespräch einig, dass sich eine Abholung arrangieren ließe.«
    Nun schaute Mary auf, die Stirn in Falten geworfen.
    »Marc, du wirst sehen, es wird zusätzliche Reisen in den Pazifik geben«, versicherte Carl und richtete sich weiter auf. Das Gespräch nahm einen Verlauf, der ihn unruhig machte. Wieder schwieg sie, erneut wandte sie ihm den Rücken zu und sortierte die Unterlagen auf dem Tisch.
    »Jedenfalls halte ich es nach den Erfahrungen dieser Fahrt für keine gute Idee, mich alleine auf die geplante Expedition zu begeben. Was ich sagen will: Ich könnte mir vorstellen, dass du mich begleitest. Wie denkst du darüber?«
    Sie drehte sich nochmals zu ihm um und lehnte sich gegen den Tisch. Weder Ablehnung noch Begeisterung ließen sich in ihrer Miene ausmachen. Wieder sah sie jung aus, und wieder wirkte sie mit den vorhängenden Schultern schmächtig. »Wenn wir gemeinsam zurückbleiben«, sagte sie emotionslos, »wäre das Schiff ohne ärztliche Versorgung.«
    Sie weiß es,
fuhr es Carl durch den Kopf,
sie weiß, dass ich erfahren habe, dass sie eine Frau ist. Sie findet meinen Vorschlag, alleine mit mir in der Wildnis zurückzubleiben, verwerflich. Sie weiß nicht, dass ich auf ihre Kompetenz baue.
Carl griff nach dem Wasser und nahm einen Schluck. Er räusperte sich. »Es ist ehrenhaft, dass du dir um die Mannschaft Gedanken machst. Der Kapitän und ich haben uns über diese Situation bereits beraten. Er denkt, dass Peacock, bis das Schiff Batavia erreicht, im Notfall die Versorgung übernehmen kann.«
    »Rafael Peacock? Unser Astronom?«
    »Ja, warum denn nicht? Du bist kein Arzt, und auch ich bin keiner. Peacock ist uns oft zur Hand gegangen, wir haben ihn beide beobachten können, und du weißt, dass er ein Gespür für Patienten hat. Sein Vater war ebenfalls Arzt, aus diesem Grund verfügt er über medizinische Grundkenntnisse. Es gibt Schiffe,die reisen erheblich weitere Strecken ohne Arzt, wenn dieser einer Krankheit erliegt.« Carl sog die Luft ein und seufzte. »Marc«, er

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