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Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)

Titel: Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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versuchte seiner Stimme einen eindringlichen Klang zu verleihen, »wir haben einen Auftrag, und der besteht, so grausam das klingen mag, nicht darin, die medizinische Versorgung zu übernehmen, wenn Doc Havenport ausfällt.« Er zögerte. Es war der richtige Zeitpunkt, sich zu erklären und ihr reinen Wein einzuschenken, um ihr die Möglichkeit zu geben, aufgrund der Fakten eine Entscheidung zu fällen. »Gut, wenn das so ist, dann muss ich dir etwas   –«
    »Lass mich einen Moment darüber nachdenken, ja?«, unterbrach sie ihn, sah ihn nur flüchtig an und verließ türschlagend die Kajüte.
    »Warte, Mary, bitte warte«, rief er ihr nach, doch seine Worte verloren sich in der Stille.

Paumotu-Archipel, 16.   April 1786
     
    Zwei Tage hatte Mary ihre Kraft darauf verwendet, Carl aus dem Weg zu gehen. Zwei Tage, die sie hatten spüren lassen, dass jede Stunde, in der sie kein Wort miteinander gesprochen hatten, leer war. Gezeichnet hatte sie, Bilder beschriftet, Verzeichnisse erstellt und Seth im Beschriften der Belege des Herbariums unterwiesen. Jeden Morgen, mit dem Beginn des Reinschiffmachens, hatte sie auf dem Achterdeck gestanden, um die unruhigen Nächte durch kühlen Wind zu vertreiben, bevor die Sonne wieder die scharfkantigen Schatten der Segel und Masten aufs Schiff warf. Und immer wieder hatte sie Franklins Vorwurf im Ohr gehabt: »Du hast meinen Ruf ruiniert. Was hast du dir dabei gedacht?«
    Es gab nur eine Antwort auf Carls Frage: Sie konnte ihn nicht begleiten. Sie musste jeden Skandal vermeiden. Ein Botaniker, der mit einer Frau durch den Pazifik reiste – das war ein handfester Skandal. Sie konnte ihn nicht der Gefahr aussetzen, seinen Ruf als exzellenter Wissenschaftler aufs Spiel zu setzen. Und selbst wenn keine Menschenseele jenseits des Pazifiks von ihrer Täuschung erfahren würde, so ließe sich zu zweit in der Wildnis nichts voreinander verbergen. Gar nichts. Carl würde bemerken, dass sie eine Frau war, die Nähe würde den Verrat offenbaren.
    Das war der Preis, den sie für ihre Lüge zu zahlen hatte. Nähe konnte sie nicht zulassen, sie musste ihm fernbleiben und sein Angebot ablehnen.
    Mary öffnete die Tür zu seiner Kajüte.
    Carl saß an dem winzigen Tisch und nutzte das karge Tageslicht, das durch das salzverkrustete Bullauge fiel. Das Tintenfass war geöffnet, die Feder lag in seiner Hand, doch selbst von der Tür aus konnte sie erkennen, dass das Papier unberührt war.
    »Wie geht es dir?«, fragte sie.
    Carl drehte sich auf seinem Stuhl um, den Arm seitlich auf die Lehne gestützt, und musterte sie. Er antwortete nicht.
    »Es tut mir leid, dass ich mich zurückgezogen habe. Ich brauchte Zeit, dein Angebot zu überdenken.«
    »Was gibt es daran zu überdenken? Hast du familiäre Verpflichtungen? Wirst du zu Hause erwartet? Darüber können wir doch reden. Es gibt so vieles, über das wir reden müssen.«
    Mary schüttelte den Kopf. Seine Augenringe waren verschwunden. Das Haar war frisch gewaschen, das Gesicht rasiert. Die Ärmel seines blendend weißen Hemdes waren bis zu den Ellenbogen umgeschlagen. Braun hob sich sein behaarter Unterarm gegen den hellen Stoff ab.
    Du könntest es doch versuchen
, ertönte die Stimme in ihrem Kopf.
    Nein, das darfst du nicht. Du hast einen Entschluss gefasst, und du bist hier, um ihm diesen mitzuteilen.
    Die erste Stimme hob erneut an.
Selbst wenn er es irgendwann bemerken würde, was soll geschehen? Er wird dich wohl kaum im Stillen Ozean zurücklassen.
    Untersteh dich. Du wirst sein Angebot ausschlagen.
    Ihr Blick lag auf seinem Arm, den ausgeprägten Adern, die sich unter der Haut abzeichneten und am Handgelenk vorbeischlängelten, den Handrücken entlangfuhren und in den Fingern ausliefen. Sie hob den Kopf und schaute ihn direkt an. »Nein, niemand erwartet mich«, sagte sie betont langsam, um nicht die falsche Formulierung zu wählen, »dennoch ist es eine schwerwiegende Entscheidung, die gut überlegt sein muss, und so habe ich mich schwer damit getan.«
    Ungeduld wurde in Carls Augen sichtbar, und seine Lippen pressten sich aufeinander, sodass sie zu einem blassen, schmalen Strich wurden.
    Mary atmete tief durch. »Ich kann   … Ich kann nicht   … Ich kann doch nicht alleine nach Hause zurückkehren und dich hier der Wildnis überlassen.«
    Ein Schmunzeln umspielte Carls Lippen, die wieder eine rosige Farbe bekamen und voll wurden. Er schüttelte den Kopf.
    »Natürlich will ich dich bei deinen Forschungen begleiten. Danke für

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