Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)
ein.
Wenn Franklin mir Sherry hinstellt, ist das noch nicht alles gewesen,
durchfuhr es Carl.
Das ist das Zuckerstückchen, mit dem er mir die bittere Medizin verpassen wird.
Forschend betrachtete er seinen Gehilfen. »Die Petition wird erst morgen zugestellt. Bislang ist das Gesuch der Admiralität nicht angetragen worden. Vielleicht lässt sich Wellingtons Ansinnen noch unterbinden?«, fragte er und spürte, wie sich die Müdigkeit in seine Glieder senkte.
Franklins Gesichtszüge blieben ausdruckslos. »Theoretisch bestünde die Möglichkeit, denn man will die Petition, wie Ihr sagt,erst morgen zustellen. Aber die Gentlemen waren sich einig: Man erwartet, dass Ihr Euch hinter das Anliegen der Royal Society stellt.«
Carls Nacken verspannte sich. Der Sherry glänzte honigfarben. Er ergriff das Glas, leerte es und spürte die samtige Wärme im Hals. »So, so, was man alles von mir erwartet«, sagte er und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. »Morgen werde ich wohl klar Schiff machen müssen. Die Herren werden mich noch kennenlernen!«
Rußend erlosch eine der letzten brennenden Kerzen.
Plymouth, 14. Juli 1785
Der Wind strich über die Weizenfelder und drückte die Ähren in wogenden Bewegungen in die Tiefe, um sie dann wieder auferstehen zu lassen.
Wie mit den Wellen. Auch mit den Wellen spielt der Wind, hebt, wirft und liebkost sie dabei,
dachte Mary.
Müde blickte sie vom Kutschbock aus zum Haus hinüber. Schon aus der Ferne erkannte sie, dass Wagen davor standen. Acht oder neun zählte sie, und vor jeden von ihnen waren jeweils mehrere Pferde gespannt. Ohne darüber nachzudenken, sprang sie vom Bock und geriet mit dem rechten Fuß fast in die Speiche des Rades.
William bremste und fluchte.
Sie rappelte sich auf, raffte die Röcke und rannte den Pfad entlang. Dabei hielt sie Ausschau nach Henriette und entdeckte sie in der Tür, von wo aus sie die Männer, die Kisten trugen, zu der jeweiligen Kutsche delegierte. Ihre Befehle hallten über den Hof: »Die Bücher gehen zu Lord Sufferton. Die Kommoden sind, aber nur wenn sie leer sind, für Doktor Goodwin. Nein, die kommen auf den Wagen da hinten. Und deckt sie gegen den Regen ab.«
»Henriette, was tust du?«
Der panische Schrei fror den Lärm für einen Moment ein und ließ die Kistenträger aufschauen. Doch jeder von ihnen schien sofort zu erkennen, dass es keinen Grund gab, die Arbeit einzustellen. Und während Mary an ihnen vorbeirannte, wünschte sie, ein Mann zu sein. Sich breitbeinig vor ihnen aufzubauen und siedes Hofes zu verweisen. Und jeden, der sich weigerte, würde sie schlagen, jetzt und hier, sofort. Jetzt, wo die Worte nicht mehr halfen. Doch sie schlug niemanden und spürte vielmehr die Blicke der Männer auf ihren wogenden Brüsten. Sie lief schneller, den verschwommenen Konturen Henriettes entgegen, die ihre Arme verschränkte und das Kinn in die Höhe reckte.
Mary schob sie beiseite und stürzte den Flur zur Wunderkammer entlang.
Dieses Mal ließ sich Henriette nicht abhalten. Sie folgte ihr und packte sie hart am Arm.
Mary konnte sie nicht anschauen, sie war unfähig, den Blick vom Chaos im Arbeitszimmer ihres Vaters abzuwenden. Der Behandlungstisch war beiseitegeschoben, die Schränke waren geöffnet. Ein junger Mann untersuchte die zahlreichen Tinkturen, Pülverchen und Instrumente.
Im Kabinett waren die Bücher, die Vitrinen und die Kommoden verschwunden, die Belege des Herbariums lagen in einer Ecke, achtlos übereinandergeworfen. Der Kuriositätenschrank war ein heilloses Durcheinander. Ein Seeigel lag zertreten auf dem Boden.
»Warum die Wunderkammer?« Marys Kehle brannte, die Worte waren nurmehr ein Krächzen.
»Das ist wertloser Plunder, ekelhaftes Teufelsgetier, entstanden aus der Urzeugung faulenden Schlammes. Dein Vater hat dir Dinge gewährt, die sich nicht für ein Mädchen gehören. Und ich muss es jetzt richten. In deinem Alter stand ich bereits einem Haushalt vor und war meinem Mann, Gott hab ihn selig, eine treue Gefährtin. Nähen, flicken, putzen und kochen, das ist die Bestimmung einer Frau. Kinder zu bekommen, sie aufzuziehen. Und was machst du?«
Henriettes Stimme schrillte, dass Mary glaubte, ihr Kopf müsse zerspringen. Sie legte die Hände auf die Ohren, doch die Tante riss ihre Arme beiseite. »Du hörst mir jetzt zu. Du liest Bücher und malst Spinnen, grundlos verlässt du alleine das Haus, und niemand weiß, wo du dich aufhältst. Ich sage dir das nur einmal:Wenn du mir nicht bis
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