Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)
einige Schritte den Strand hinauf. Bei einem Felsen blieb er stehen, zeigte auf den Boden und sah den Zimmermann an. Und der begann, mit dem Spaten das Loch auszuheben.
Ein kleines Loch.
Seth sah sich um. Er lief weiter, den Strand hinab und musterte die Steine, die im Sand und Wasser lagen. Die Runden und Grauen hob er auf. Je flacher sie waren, desto besser.
Das sind genug,
dachte er, als seine Hosentasche sich beulte, und lief zurück. Neben dem Grab schichtete er die Steine auf.
Nat, mein Möwenbezwinger. Für den Fall, dass dir beim Warten auf die Engel langweilig wird, lege ich dir ein paar Steine hin.
Er hob den Kopf und suchte den Himmel ab.
Ich sehe gerade nicht einen einzigen Vogel, aber vielleicht lässt du sie einfach nur über das Wasser springen. Das kannst du doch auch so gut.
Toni ließ das weiße Paket in die Erde hinab.
Und jetzt, Nat, schließe deine Augen, damit du keinen Sand hineinbekommst.
Während das Loch zugeschaufelt wurde, erklangen die Salutschüsse.
Mit jedem Donnerschlag, so schien es Seth, wurde das Licht heller.
Mit jedem Donnerschlag fühlte er sich leichter.
So leicht, dass Sir Belham und Marc nach seinen Armen greifen mussten.
Plymouth, 7. März 1786
Zur Bekämpfung eines Fiebers empfiehlt es sich, zwei Lot Enzianwurzel, ein Lot Kalmus sowie ein Lot Pomeranzenschalen nebst drei Händen voll Kamillenblumen und einer Hand voll Koriandersamen in einem Mörser zu zerstoßen. Hiervon gieße man eine halbe Hand voll mit siedendem Wasser auf und gebe dem Fiebernden täglich drei bis vier Tassen davon zu trinken.
Landon biss auf den Griff der Feder, die er zwischen den Fingern hin- und herdrehte. Verärgert legte er die Feder beiseite und packte das Sandwich, das ihm das Mädchen bereitgestellt hatte. Knuspriges Weißbrot und Rindfleisch. Er biss hinein, wischte sich die Finger an der Serviette sauber und blätterte noch einmal zurück.
Konzentration, ermahnte er sich. Hier ist Konzentration vonnöten.
Diese Medikation wurde im Abschnitt des viertägigen Fiebers empfohlen. Sollte in diesem Fall die Chinarinde keine Anwendung finden? Oder war die Chinarinde nur im Hinblick auf das Wechsel- und das Quartanfieber zu verabreichen? In Gedanken ging er die Namen nochmals durch: Kaltweh, Scharlachfieber, Febris simplex, Wechsel- und Quartanfieber. Er stockte, weiter kam er nicht. Er fluchte. Vierunddreißig. Es waren vierunddreißig verschiedene Arten Fieber in diesem Buch aufgelistet, und er hatte gerade mal fünf davon in Erinnerung behalten. Wie sollte man hier auch einen Überblick bewahren?
Bisher hatte er eine erhöhte Temperatur des Körpers für ein lästiges Übel gehalten, doch nun warf das Wissen über die Fieberarten eine gänzlich andere Frage auf: Wenn Mary Linley schon so viel über das Fieber wusste, was wusste sie dann noch alles? Mit welcher Genauigkeit sie die Verläufe der Temperaturkurven mit einhergehendem Schüttelfrost voneinander unterschieden hatte, um ein Fieber vom anderen zu trennen, beeindruckte ihn.
Sie hat mir damals die Sammlung gezeigt, durchfuhr es ihn. Käfer, Schmetterlinge, anderes Getier.
Das Offensichtliche.
Gerade recht für den Laien.
Nicht einmal im Ansatz habe ich darüber nachgedacht, womit sich diese Frau ansonsten befasst, was sich noch alles hinter ihrer Stirn verbirgt
. Sein Blick blieb an der Schrift hängen. Die lesbaren, steil geschwungenen Bögen mussten aus Marys Feder stammen. Sie waren deutlich von den gedrungenen Lettern des Vaters zu unterscheiden, die hastig hingeworfen und partiell verwischt waren.
Eine Handschrift, von der ich annehme, dass sie die deine ist. Viel mehr ist mir von dir nicht geblieben,
dachte Landon und schloss das Buch. Er legte es auf vier weitere Bücher, die detailreiche Abhandlungen zu den unterschiedlichsten Krankheiten enthielten. Müde stützte er den Kopf in seine Hände.
Hol dir das nächste Buch
, versuchte er sich zu ermuntern.
Du wirst nicht umhinkommen, dich weiter in die Materie zu vertiefen. Mit ein wenig Umherblättern ist es nicht getan.
Der Himmel war bedeckt, kein Stern war auszumachen. Landon überquerte den Hof und war erstaunt, dass die Nacht so kalt geworden war. Der Schnee war verharscht und knackte unter seinen Stiefeln. Warum war er nicht ausgefahren, hatte ein wenig Zerstreuung gesucht? Eine Abendgesellschaft samt ihren oberflächlichen Gesprächen, vielleicht auch ein Tänzchen oder ein Besuch im Theater. Nein, er hatte sich erneut einem der Bücher
Weitere Kostenlose Bücher