Vom anderen Ende der Welt: Roman (German Edition)
Taylor im ersten Morgengrauen die Seebestattung vollziehen.
Segelmacher-John passierte Mary. Obwohl sein sehendes Augeauch Toni streifte, schien er den Jungen, der schlaff in den Armen des Zimmermanns hing, nicht wahrzunehmen.
Seth jedoch reagierte auf den Segelmacher und stemmte sich abrupt in die Höhe. »Nein, nein! Du darfst ihn nicht einnähen! Nat darf nicht ins Wasser geschmissen werden!«, schrie er ihm entgegen.
Toni zuckte derart zusammen, dass ihm der Junge aus den Armen glitt. Die dünnen Beine knickten um, auf einer Stufe blieb er hocken und schlug mit den Fäusten auf das splitterige Holz. »Er hasst Wasser. Das Scheißwasser hat unseren Vater verschlungen. Es darf nicht auch noch Nat bekommen.«
Segelmacher-John presste die Hand auf seine Brust, dass Mary fürchtete, er könne einen Herzschlag erleiden. Sie beugte sich vor und hörte, dass er flüsterte: »Der Junge, der arme Junge, möge Gott ihn schützen!«
»Er muss in die Erde. Er muss ein Kreuz bekommen, und ich will beten. Gott soll ihn holen. Wenn ihn die Haie fressen, wie soll ihn dann Gott holen?« Seths Gesicht war rot angelaufen, feine Schweißperlen sammelten sich über seiner Lippe.
Mary schaute zu Toni hinüber. Er verstand und packte den Jungen, schlaff und widerstandslos ließ er sich aufheben. Sein Geschrei war in ein langgezogenes Wimmern übergegangen.
Wenn wir jetzt das Deck überqueren, weiß jeder, dass der Junge dabei ist, den Verstand zu verlieren. Was sollen wir nur machen? Carl,
flehte Mary innerlich,
hilf mir.
»Was ist hier los? Man hört den Jungen über das gesamte Schiff hinweg.«
Mary wirbelte um ihre eigene Achse. Hinter ihr stand Carl. Ernst blickte er den Niedergang herab.
Mary lief ihm einige Stufen entgegen. »Er hat Angst, dass wir seinen Bruder im Meer beisetzen«, flüsterte sie.
»Und was hast du mit ihm vor?«
»Ich wollte ihn in Franklins Koje legen, um ihn über Nacht unterBeobachtung zu haben.« Sie zögerte. »Können wir die Beisetzung nicht um ein paar Meilen verschieben?«
»Gut, ich kläre das mit Kapitän Taylor.«
Marys Herz wurde warm, so warm, dass sie fürchtete, es sei selbst hier im Dämmerlicht noch als Leuchten in ihren Augen erkennbar. Sie blinzelte. »Meinst du, Taylor wird sich darauf einlassen? Du weißt, die Mannschaft fürchtet, Tote könnten den Kompass durcheinanderbringen.«
»Er wird sich darauf einlassen, denn auf Seemannsgarn gibt er gar nichts. Morgen gegen Mittag passieren wir eine kleine Inselgruppe. Die paar Stunden können wir tatsächlich abwarten, schließlich ist der Junge nicht an einer ansteckenden Seuche gestorben. Bring Seth jetzt in die Koje und sage ihm, dass wir seinen Bruder morgen in Mutter Erde begraben werden. Und organisiere eine Nachtwache, damit die Ratten nicht …« Er brach ab und lief den Niedergang hinauf.
Nat’s Island, 2. März 1786
Nat, mein lieber Nat. Habe keine Angst, dass Segelmacher-John dich in deine Hängematte eingenäht hat. Du wirst nicht ins Wasser geworfen und von Haien gefressen werden. Wir bringen dich gerade in unserem Beiboot an Land. Zu einer Insel, die vor uns liegt. Sie ist sehr klein, aber sie wird dir allein gehören. Ich habe sie Nat’s Island getauft. Wir werden ein Loch ausheben, und dort, in der Erde, wirst du ruhen. Die Engel werden dich holen und zu Gott bringen. Gott wird dein Grab sehen können, denn Toni, der Zimmermann – du weißt schon, der Mann, dem die Schneidezähne fehlen – hat heute Nacht ein kleines Holzkreuz für dich gebaut. Und Marc hat in der Früh mit seinen Farben deinen Namen daraufgeschrieben. Damit Gott weiß, dass du hier liegst.
Seth strich über das Segeltuch. Er glaubte, einen Arm zu ertasten, und fuhr fort, bis er die Finger spürte. Dort ließ er seine Hand liegen.
Es sind nicht viele, die dich zur Insel bringen können, in der Jolle ist nicht viel Platz. Doch die wichtigsten Menschen sind hier. Sir Belham, Marc Middleton, Zimmermann Toni und Smutje Henry. Der Kapitän ist an Bord geblieben, er will das Zeichen für die Salutschüsse geben. Der Astronom, der kleine Mann, der immer alles sucht, du weißt schon, wer, hat ein Gebet für dich gesprochen. Alle haben die Hände gefaltet und mitgebetet.
Die Mannschaft steht an Deck, und alle schauen herüber. Alle sind in Gedanken bei dir.
Nat, ich werde jetzt aus dem Boot aussteigen. Die Männer werden dich tragen. Sie werden dich an die Stelle tragen, die ich für dich aussuche.
Seth sprang aus dem Boot und eilte
Weitere Kostenlose Bücher