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Vom Aussteigen und Ankommen

Titel: Vom Aussteigen und Ankommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Grossarth
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und 5, bezeichneten die Wochentage Dienstag und Freitag; heute war die 4, der Donnerstag, und die 4 stand nicht auf dem Plan. So war es wohl in der Uckermark.
    Ich wanderte mit meinem Rucksack und Ziehkoffer über die Landstraße bis in den nächsten Ort, Schmölln; es waren einige Kilometer. Nachts hatte es geregnet. Die Straßenränder waren feucht, die Mitte des Asphalts wieder trocken. Es roch wie im Tropenhaus. Selten fuhr ein Auto vorbei. Die Straße war dafür ein Nacktschnecken-Highway. Braune und schwarze Schnecken krochen regellos in alle Richtungen, große und kleine. Unter meinem Fuß knackte es. Ich war trotz aller Vorsicht auf eine gelbe Schnecke getreten. Sie hatte ein Haus gehabt, aber es brachte ihr keinen Vorteil.
    Ich ging entlang der sogenannten Märkischen Eiszeitstraße und kam mir vor wie Wolfgang Büscher auf seiner Wanderung nach Moskau. Die sibirisch weiten Feuchtwiesen und die tropische Luft warfen die Frage auf, warum das Mammut, das auf einem Hinweisschild der Märkischen Eiszeitstraße abgebildet war, hier überhaupt ausgestorben war. Vielleicht hatten die Russen damit zu tun. Es war so schwül wie bei Homo Fabers Weg durch den Dschungel.
    Auch in Schmölln fuhr der Bus nicht. Ich versuchte, ein Auto zu stoppen. Nach eineinhalb Stunden hielt ein silberner Passat und nahm mich mit in den Ort B. Dort holte mich Heike ab, deren echter Vorname ein anderer war. Eine Frau in den Vierzigern mit Lederhose, Strickpulli und Crocs, sie fuhr einen Jeep. Lang und verfilzt waren ihre Haarzöpfe, nur die Haare, die oben auf ihrem Kopf wuchsen, waren recht kurz geschoren. Vielleicht war sie eine echte Punkerin.
    Wir fuhren einige Kilometer, die letzten hundert Meter ruckelte der Jeep über einen Feldweg mit Schlaglöchern voller Wasser.
    Ihren Selbstversorgerhof nannten Heike und ihr Lebensgefährte Reiner Mey, der eigentlich auch anders hieß, »Paradies«. Der Garten Eden begann mit einem roten Klinkerhof, dahinter im Grünen standen verstreut mehrere Minihäuser, so klein wie die Trulli in Apulien. Eines war das Badehaus; es war aus Glas, und Pflanzentriebe sprossen darin. Die Badenden hatten aus der Wanne heraus einen freien Blick in den Garten, und die Pflanzen des Gartens hatten einen freien Blick auf die Badenden. Dann gab es ein Klohaus. Es war aus Holz und Ikea-blau gestrichen. Eine weitere Laube, es war Reiners Wohnhaus, ähnelte einem mit Teerpfannen gedeckten Iglu. Heikes Domizil war größer, es sah aus wie ein normales Gartenhäuschen. Ein dunkelgrünes Getreidefeld umgab das Paradies, so wie das Meer eine Insel. Hier auf der Insel lebten Molche, Kröten, Blindschleichen und tausend Schmetterlinge, während der Ozean nur eine Getreide-Monokultur und etwas Unkraut tolerierte. Auf dem Hof roch es nach Gräsern und Blüten, besonders stach die Brennnessel heraus. Wir setzten uns in den Wintergarten des Haupthauses, das als Stall, Lagerraum und als gemeinsames Wohnzimmer genutzt wurde. Es gab Rhabarberkuchen aus selbst angebautem Rhabarber, eigenen Eiern, eigener Ziegenmilch und fremdem Mehl, und ein nicht sehr streng erzogener Bernhardinerhund schleckte hechelnd an meiner Hand.
    Nach dem Kaffeetrinken arbeitete Reiner, der fast zwanzig Jahre älter war als Heike, im Stall. Er hatte lange graue Locken wie einst Rudi Völler, aber ein hübscheres Gesicht. Sein Oberlippenbart war noch etwas blond. Reiner sprach mit rheinpfälzischem Akzent, sein Haar wallte, wenn er ging, wie das eines Propheten.
    Er erinnerte mich äußerlich auch an August Engelhardt, von dem es eine Schwarzweißpostkarte gab, die ihn vor Palmen auf der Südseeinsel Kabakon zeigte. Auf dieser Insel im Bismarckarchipel lebte der Nürnberger Industriellensohn Engelhardt einige Jahre bis zum Ersten Weltkrieg als Verkünder einer vegetarischen Kokosnussreligion. Von der Insel aus verlegte er eine deutschsprachige Vegetarierzeitschrift, in der er seine Lehre multiplizierte: die reine Kokosnussdiät. Die Kokosnuss veredle den Menschen, glaubte Engelhardt, weil die Kokosnuss die Frucht sei, die am nächsten zur göttlichen Sonne wachse. Mit diesem Wahnsinn fand Engelhardt im Wahnsinn der vorletzten Jahrhundertwende tatsächlich einige Jünger, von denen die meisten auf Kabakon ihrem Wahnsinn schnell erlagen; auch der Apostel selbst musste sich nach Schwächeanfällen mehrmals in einem Hospital auf der Nachbarinsel gegen sei nen Willen mit »nichtkokovorer« Kost wieder aufpäppeln lassen.
    Reiner entrollte einen Ballen Stroh und trug

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