Vom Finden der Liebe und anderen Dingen (German Edition)
Hamburger-Brötchen spritzte.
»Nicht jetzt«, sagte er. »Ich möchte nicht rausfliegen, weil Carmen gerade hersieht.«
»Dann küss sie doch. Eines Tages musst du sie mal richtig küssen, auf den Mund.«
»Nein. Das kann ich nicht.«
Ich konnte Francisco immer zum Erröten bringen. Er war so sehr in Carmen verliebt, dass er kaum in ihre Richtung sehen konnte.
»Red doch einfach mit ihr«, sagte ich. »Woher willst du’s denn wissen, wenn du’s nicht versuchst?«
Es überraschte mich, dass ich das sagte, weil ich so was normalerweise nicht sage. Ich war wohl ganz schön aufgeregt, dass ich Francisco einfach so diesen Rat gab.
Alvin kam ziemlich spät, und als ich ihn auf den Parkplatz einbiegen sah, hatte ich meine Cola schon dreimal nachgefüllt. Ich hatte erwartet, dass er genauso aussah wie an dem Tag, als er Los Angeles verließ, so glücklich und aufgeregt, die Falten seines Sweatshirts noch voller Sand und die Haare verstrubbelt, als hätte ihn das Verliebtsein mitten ins Herz getroffen. Aber jetzt sah er genauso anders aus, wie er am Telefon geklungen hatte – älter, sorgenvoll und müde. Sogar sein Wagen schien ramponierter als in meiner Erinnerung.
Er hatte einen großen, orangefarbenen Hund dabei. Ich beobachtete vom Fenster aus, wie Alvin auf dem Parkplatz herumlief und mit einer Plastiktüte hinter dem Hund sauber machte. Er gab sich echt große Mühe damit und war sehr professionell und gründlich. Der Hund dagegen saß einfach bloß da und betrachtete ihn, als langweilte er sich, und schließlich streckte er sich sogar lang auf dem Boden aus. Ich weiß noch, wie ich richtig sauer wurde und zu dem Hund hinwollte und ihn würgen, weil er Alvin für das, was er da tat, nicht dankbarer war. Und dann wäre ich am liebsten übern Tresen gesprungen, durch die Küche gerannt und hinten zum McDonald’s raus und nie mehr wiedergekommen, damit Alvin die ganze Nacht auf mich warten müsste, bloß, damit er wüsste, wie’s mir ging, als er mich hier bei Marcus sitzen ließ und ab nach Tennessee zu seiner Liebe verschwand. Als sich das Gefühl verlor, räumte ich mein Tablett weg, schmiss meine Cola in den Müll und ging raus zu ihm.
»Alvin«, sagte ich. »Alvin, hier.«
Ich weiß noch genau, wie er da aussah, das Tütchen in der Hand und neben ihm der Hund. Er war ganz sonnenverbrannt und pellte sich schon überall, als hätte er ein Jahr lang am Strand gelegen. Seine grünen Augen waren ein bisschen grau geworden und fast ganz von seinen Haaren verdeckt. Ich glaube, er hatte sie sich gar nicht schneiden lassen, seit ich ihn zuletzt gesehen hatte. Später erfuhr ich, dass er zwei Tage ohne zu schlafen durchgefahren war, und noch nie hatte ich ihn so müde gesehen. Aber er lächelte, als er mich sah, und musterte mich so genau, dass ich richtig spürte, wie er sich ganz wichtige Gedanken über mich machte, und schließlich fragte er: »Joe, wie kommt’s eigentlich, dass du dich nie veränderst?«
»Umarmen wir einander jetzt?«
Er nickte. Ich umarmte ihn. Er roch wie ein Husten.
»Was macht deine Büchertasche?«, fragte er.
»Alles gut.«
»Wie war’s heute beim Poker?«
»Keine Ahnung.«
»Da haben wir’s«, sagte er. »Mann, schön, dich zu sehen, Joe.«
»Wo hast du denn den Hund her?«
Alvin sah zu dem Hund runter, der ausgestreckt auf dem Gehweg lag und den Schleim ableckte, der ihm aus der Nase lief. Alvin kraulte den Hund am Kinn. »Er bringt mir Loyalität bei. Wahre Loyalität lernt man nur von einem Hund.«
»Woher hast du ihn?«
»Ich hab ihn damals bei den Bahngleisen gefunden, wo er Züge jagte. Ich wusste, dass er das nicht lange überleben würde, also habe ich ihn adoptiert. Ich dachte, es könnte lustig sein, ihn zu dressieren. Aber es ist nicht dasselbe, wie dich großzuziehen.«
»Ist er schnell?«
»Ziemlich schnell. Aber meistens hängt er bloß rum. Ich nenne ihn Max.«
»Hast du Hunger? Gehen wir rein, was essen?«
»Nicht hier«, sagte Alvin. »Aber gut für dich, Joe. Du weißt immer noch nicht, dass man nirgendwo so schlechtes Essen wie bei McDonald’s kriegt.«
Auf einem Beifahrersitz schalte ich immer gleich ab. Ich falle in eine kleine Trance, und wenn ich da bin, wo ich hinwollte, habe ich keine Ahnung, wie ich hingekommen bin. Eigentlich ist das bei mir in jeder Sekunde meines Lebens so. Ich weiß nicht, welche Strecke wir an dem Abend gefahren sind. Ich erinnere mich, dass wir, als es dunkel wurde, auf dem Ventura Boulevard waren und dass die
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