Vom Himmel hoch
die
nächste Frage stellte.
»Warum haben Sie so viel Aufwand mit dem Hubwagen
betrieben? Wenn Sie seinen Tod gewollt hätten, so hätte es dafür auch tausend
andere Möglichkeiten gegeben.«
Sørensens Gesichtsausdruck war jetzt eine eigenartige
Mischung aus Traurigkeit und Resignation.
»Ich bereue es nicht, ihn getötet zu haben.
Andererseits ist es nicht einfach, einem Menschen das Leben zu nehmen.
Wahrscheinlich werden Sie es nie verstehen, aber ich wollte ihm den Tod
erleichtern. Auf unserem Betriebsfest hatte er mit viel Begeisterung die Fahrt
mit dem Schwenkkorb des Hubwagens genossen.«
Christoph erinnerte sich an die Bilder, die Doris
Landwehr ihnen gezeigt hatte. Darauf war Banzer in feuchtfröhlicher Feierstimmung
zu sehen gewesen, wie er auf der Plattform stand und in die Höhe fahren wollte.
»So hatte ich beschlossen, ihn aus der Höhe abstürzen
zu lassen. Erst später ist mir die Symbolik bewusst geworden. Er … im
Höhenrausch … im Angriff auf die höchste Position in diesem Betrieb … und dann
der Absturz! Seine allerletzte Aktion im Leben: ein Absturz.«
»War es Zufall, dass Sie das Ganze auf dem Marktplatz
inszeniert haben?«, fragte Christoph.
Sørensen schüttelte den Kopf. »Nicht der Marktplatz
war das Ziel, sondern der Brunnen auf dem Marktplatz.«
»Sie meinen den Schweinebrunnen?«
»Ja.«
»Und weshalb ausgerechnet der Schweinebrunnen?«
Sørensen straffte seine Körperhaltung, als würde er
jetzt die entscheidende Erklärung abgeben.
»Weil Banzer ein Schwein war!«
Die beiden Beamten sahen sich an, ließen diese
Bemerkung aber unkommentiert.
»Und Sie haben nicht befürchtet, von irgendjemandem
gesehen zu werden?«, mischte sich nun Große Jäger ein.
»Nein, daran habe ich keine Sekunde gedacht. Nur ein
einziger Mensch war während der ganzen Aktion auf dem Marktplatz unterwegs.«
»Und der hat Sie nicht verraten?«
Sørensen zögerte ein wenig mit der Antwort.
»Der hat mich nicht gesehen. Ich hatte den Wagen schon
für das Ausfahren des Arbeitskorbes vorbereitet und die Stützen ausgefahren,
als Carsten Fröhlich um die Ecke bog und über den Markt torkelte. Trotz des
Regens fiel er mehrfach in den Schmutz, rappelte sich jedes Mal wieder mühsam
in die Höhe. Der war so sturzbetrunken, dass er nichts mitbekommen hat.«
»Und was geschah weiter?«
»Nach Banzers Absturz habe ich den Korb wieder
eingefahren, die Stützen eingezogen, und dann bin ich losgefahren. Ich hatte
kein festes Ziel, sondern bin einfach nur gefahren. Ohne jeden Plan Richtung
Norden, habe die Grenze überquert und bin dann weiter dem Asphalt gefolgt. Ich
war wie in Trance. Einen klaren Gedanken, der mich zu einem vernünftigen und
rationalen Handeln geführt hätte, konnte ich nicht fassen. Ich hatte die
Orientierung verloren, bis ich irgendwann in der Dunkelheit auf der linken Straßenseite
eine Baustelle mit dort abgestellten Fahrzeugen sah. Da habe ich den Hubwagen
einfach dazugestellt und abgeschlossen. Ich bin dann zu Fuß weiter, ohne zu
wissen, wo ich mich genau befand. Erst dann habe ich festgestellt, dass ich die
Ortsumgehung von Ribe erreicht hatte. Von dort bin ich dann in aller Frühe mit
öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause gefahren.«
»Und Ihren Pkw, mit dem Sie Banzer zum Firmengelände
gefahren hatten?«
»Der stand dort noch, als morgens die ersten Arbeiter
kamen. Das ist aber niemandem aufgefallen.«
Das Geständnis hatte Sørensen mitgenommen, obwohl ihm
andererseits auch die Erleichterung über seine Offenbarung deutlich anzumerken
war.
Die Mutter wollte erneut Kaffee nachschenken, aber die
beiden Beamten lehnten ab. Der Sohn sah seine Mutter dankbar an und nippte
vorsichtig an der vollen Tasse.
»Wenn ich Sie richtig verstanden habe, war Ihnen das
Risiko einer Entdeckung während der Tat egal. Erst später sind Sie auf die Idee
gekommen, uns eine phantastische Geschichte zu erzählen, sodass wir Ihnen
zuerst ein sicheres Alibi zugeordnet haben.«
Zum ersten Mal verflüchtigte sich der ernste Ausdruck
auf Sørensens Gesicht.
»An meiner Geschichte ist alles wahr«, bekundete er,
»wirklich! Da ist nichts erfunden oder erlogen. Auch die Zeugen haben alle die
Wahrheit gesagt. Allerdings … Sie haben nur einen Teil der Geschichte gehört.
Die Feierlichkeiten zum neunzigsten Geburtstag meines Großvaters haben sich so
zugetragen, wie ich es Ihnen geschildert habe. Was ich Ihnen allerdings verschwiegen
hatte, war, dass ich Harald Banzer im Vorhinein von der
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