Vom Himmel hoch
Bredstedt nur vorübergehender Natur sei. Er war ein vorbildlicher
Familienvater und wollte seiner Tochter den Schulwechsel ersparen. Sie sollte
in der gewohnten Umgebung bleiben. Deshalb ist er jedes Wochenende
heimgefahren.«
»Und Sie? Sie stammen doch auch aus Essen«, wollte
Christoph wissen.
»Ich habe meinen Lebensmittelpunkt hierher verlagert
und für mich und meine Familie ein Haus in der Umgebung erworben.«
»Dann gehen Sie folglich davon aus, dass Sie – im
Unterschied zu Banzer – für eine längere Zeit in Nordfriesland bleiben?«
Es klang fast wie ein Seufzer aus Roths Mund. »Ich
werde im kommenden Jahr fünfzig. Da gibt es nicht mehr viele Stationen, an
denen der berufliche Express noch Halt macht. Ich habe meine Lebensplanung
darauf ausgerichtet, dass dies mein letztes berufliches Engagement ist.«
»Noch einmal zu den Lebensgewohnheiten des Toten«,
nahm Christoph den Faden erneut auf. »Wissen Sie etwas über sein Privatleben?
Hatte er Feinde? Gab es Unebenheiten in seinem persönlichen Umfeld?«
Roth schüttelte bestimmt den Kopf. »Das kann ich mir
nicht vorstellen. Nein«, klang es entschiedener, »ein Mensch wie Harald Banzer
hat keinen Streit gesucht. Und die zeitlichen und physischen Anforderungen
seines Jobs ließen ihm überhaupt keinen Raum für Aktivitäten neben seinem
Beruf.«
Christoph straffte sich. »Herr Roth, wir haben noch
einen anderen Fall zu klären. Uns liegt eine Anzeige vor, dass Ihnen ein Lkw entwendet
wurde.«
Der Mann blickte die beiden Polizisten zunächst
irritiert an.
»Richtig! Das hätte ich fast vergessen. Ja, wir haben
heute Morgen festgestellt, dass eines unserer Firmenfahrzeuge entwendet wurde.
Der Wagen ist gestern Abend ordnungsgemäß auf dem Betriebsgelände abgestellt
worden. Wie alle anderen auch. Es ist in der Vergangenheit zwar immer wieder
einmal vorgekommen, dass wir von Einbrechern heimgesucht wurden, die Material
oder gelegentlich auch Werkzeug entwendet haben, aber ein Fahrzeug ist uns noch
nie gestohlen worden.«
Er fuhr sich mit der Hand über die Augen.
»Entschuldigen Sie mich bitte, aber im Augenblick habe ich nicht die Zeit und
den Nerv, mich darum zu kümmern. Darf ich Sie bitten, die
Diebstahlsangelegenheit mit einem meiner Mitarbeiter zu besprechen? Ich werde
Sie hinführen.«
Damit stand er auf.
Auf dem Weg zur Tür wollte Christoph noch eines
wissen. »Herr Roth, was stellt Ihre Firma eigentlich her?«
Der Mann schien fast dankbar für diese unverfängliche
Frage zu sein.
»Wir haben uns auf Stahl- und Antennenbau
spezialisiert. Zum einen bauen wir komplette Werkhallen, zumindest das Skelett
dafür, weiterhin Pavillons für Autohäuser, Einkaufszentren und Ähnliches, aber
auch Brücken. Unser Hauptgebiet ist aber der Antennenbau. Wir fertigen die
Masten, die Sie auf Hausdächern und an Straßenrändern sehen, die Ihnen einen
landesweiten Empfang im Mobilfunk gewährleisten.«
»Irgendwann muss sich das doch erschöpfen?«, wandte
Christoph ein. »Wenn Sie das ganze Land übersät haben, benötigt man doch keine
neuen Antennenmasten mehr. Was machen Sie dann?«
Roth hatte die Tür zum Flur geöffnet und hielt sie den
beiden Beamten auf.
»Ein schwieriges Geschäft, meine Herren, das können
Sie mir glauben.« Etwas leiser, so, als wäre es nur für ihn selbst bestimmt,
wiederholte er noch einmal. »Wirklich! Ein schwieriges Geschäft.«
»Sieht Ihre Konkurrenz das genauso?«
»Das ist ein Hauen und Stechen. Mancher geht über
Leichen, um das eigene Überleben zu sichern.« Erst nachdem er seinen Satz
vollendet hatte, wurde ihm bewusst, was er soeben von sich gegeben hatte.
»Kommen Sie, ich werde Sie zu unseren Mitarbeitern
führen.«
*
Christoph warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Es war
mittlerweile die Zeit des zweiten Frühstücks angebrochen, jene Stunde, in der
in deutschen Büros und Amtsstuben der Kaffee auf den Schreibtischen dampft.
Der Geschäftsführer ging den beiden Polizisten voran
und führte sie in ein größeres Büro, in dem acht Schreibtische standen, von
denen einer unbesetzt war. Die Anwesenden starrten auf ihren Chef und die
beiden Polizisten.
»Hier sind zwei Herren von der Polizei«, stellte Roth
die Beamten vor. »Das ist Hauptkommissar Johannes von der Kripo in Husum und
sein Kollege, Herr …« Er suchte in seinem Gedächtnis, entschuldigte sich dann
aber: »Leider habe ich Ihren Namen nicht richtig mitbekommen.«
»Große Jäger«, stellte sich der Oberkommissar vor.
Ein
Weitere Kostenlose Bücher