0014 - Der schwarze Henker
Man schrieb das Jahr 1578!
Über die schroffen Grate und Zinnen der Grampian Mountains wehte ein beißender Wind. Die Kiefern und dürren Fichten bogen sich unter dem Sturm, als hätten sie Angst vor den gewaltigen dunklen Wolken, die mit großer Geschwindigkeit über den nächtlichen Himmel jagten.
Auch die Menschen fürchteten sich. Sie hockten in ihren Häusern, still und verängstigt. Die Hände hatten sie zum Gebet gefaltet, bleiche Lippen murmelten die Worte des Heils und der Erlösung.
Und erlöst werden wollten sie. Erlöst von einer grausamen Tortur, von einem Regiment des Schreckens.
Moro, der Henker, sollte vernichtet werden.
Endgültig…
Tot war er schon, dieser grausame Tyrann, der einen Pakt mit dem Satan geschlossen hatte und als unüberwindlich galt. Doch das war nun vorbei.
Mutige Männer hatten sich zusammengeschlossen, den Henker in die kleine Dorfkirche getrieben und dort getötet. Mit einem geweihten Pfeil. Abgeschossen von einer Armbrust.
Der Pfeil drang in das Herz des Tyrannen. Und dort steckte er immer noch.
Der Mann, der den Henker getötet hatte, hieß Neil Cromwell. Er war der Bürgermeister von Pitlochry, dem kleinen Ort in den schottischen Bergen. Und er war es auch, der vorgeschlagen hatte, den Henker in der unheiligen Erde zu begraben. Dieser Teufel durfte kein christliches Begräbnis bekommen. Es wäre reine Gotteslästerung gewesen.
Um Mitternacht sollte der Henker bestattet werden!
Die Männer, die diese Tat auf sich nehmen wollten, hatten sich in der kleinen Sakristei versammelt.
Vier Mutige, einer davon war der Pfarrer. Sein weißes Haar leuchtete im Licht der Kerzenflamme. Die Augen in dem faltigen Gesicht blickten jung und klar.
Der Reihe nach sah er die Männer an, die mit ihm um den halbrunden Tisch saßen. Da war Neil Cromwell, der Bürgermeister. Groß, wuchtig, ein Kerl wie ein Baum. Er besaß das größte Stück Land und sein Wort hatte Gewicht.
Neben ihm saß Flint Riley. Er arbeitete bei Cromwell als Knecht. Ein verschlossener Typ, auf den sich der Bürgermeister jedoch hundertprozentig verlassen konnte.
Und auch der junge O’Casey war anwesend. Der Henker hatte ihm die Frau genommen und ihn mit seinem zweijährigen Sohn allein gelassen. O’Casey war als Lehrer in den Ort gekommen. Niemand hatte diesem jungen Mann mit den verträumt wirkenden Augen soviel Energie zugetraut.
»Noch eine Stunde«, sagte der Pfarrer.
Die anderen nickten.
Neil Cromwell goß aus einer Kanne Selbstgebrannten Whisky in die Gläser. Schweigend prosteten die Männer sich zu.
»Das Grab ist bereits fertig«, meldete Cromwell. »Ich habe es wie vorgeschlagen auf dem Blutacker schaufeln lassen.«
»Ich glaube nicht, daß der Henker endgültig tot ist«, sagte Flint Riley.
Die anderen sahen ihn überrascht an.
»Wieso?« wollte Cromwell wissen.
»Ich hatte einen Traum«, berichtete der Knecht. »Ich habe gesehen, wie Moro aus seinem Grab stieg, das Beil in die Hand nahm und furchtbare Rache nahm.«
»Das ist doch Unsinn«, wehrte Cromwell ab, doch seine Stimme klang nicht überzeugend.
»Ich würde ihn auf jeden Fall noch einmal töten!« zischte der junge O’Casey haßerfüllt. »Er hat mein Leben zerstört. Er hat…«
»Wir sollten jetzt nicht mehr den Rachegedanken nacheilen«, schlichtete der Pfarrer die aufkommende Diskussion. »Wir müssen uns auf die vorliegende Aufgabe konzentrieren. Sie wird schwierig genug sein. Glaubt es mir.«
Cromwell trank sein Glas leer. »Moro ist tot, tot, tot«, rief er. »Und niemand wird ihn je zum Leben erwecken.«
»Der Satan kann vieles«, flüsterte Riley.
»Glaubst du an ihn?« Lauernd stellte Cromwell diese Frage.
Der Knecht blickte ihn ernst an. »Ja, ich glaube, daß es den Teufel gibt. Er lebt sogar unter uns. In vielerlei Gestalt. Der Gehörnte ist schlau. Er wird sich von seinem Diener nicht so leicht trennen. Mein Traum…«
»Haltet den Mund!« Der Pfarrer sprach die Worte scharf aus, und er schlug dabei mit der Faust auf den Tisch. »Wir sollten nicht Länger reden, sondern handeln.«
Dieser Meinung waren auch die übrigen Männer. Flint Riley nickte inhaltsschwer. Sie erhoben sich von ihren Plätzen. Mit gemessenen Schritten gingen sie auf die schmale Holztür der Sakristei zu. Der Pfarrer ging an der Spitze.
Er öffnete die Tür, die leise in den rostigen Angeln quietschte. Von der Sakristei aus betraten sie die kleine Kirche.
Es war still in dem Gotteshaus. Vorn am Altar brannten zwei einsame Kerzen Fest
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