Vom Kämpfen und vom Schreiben
wirklich fleißig an mir gearbeitet, habe in meiner freien Zeit immer weiter geschrieben, mich in verschiedenen Genres versucht, habe gedichtet, paar- und kreuzweise gereimt, Märchen und Parabeln verfasst, mit Textformen und Inhalten experimentiert. Aber ich schreibe nicht nur, ich lese auch viel. Jeden Sonntagnachmittag, wenn ich aus der Redaktion komme, gehen wir zum Flohmarkt. Ich investiere jeden Sonntag fünf Mark in gebrauchte Bücher, lese berühmte Schriftsteller, unbekannte Autoren, Klassiker und moderne Literatur, vergleiche und notiere und studiere deren Arbeitsweise. Ich lege Kladden an über Heinrich Böll, Max Frisch, John Grisham, Noah Gordon und Johannes Mario Simmel. Ich studiere Hermann Hesse und Erich Kästner, erschrecke bei Gottfried Benn, lache bei Robert Gernhardt, staune bei Michael Ende.
Nach der fünfzigsten vorformulierten Absage beginne ich zum ersten Mal, an mir und meinem Talent zu zweifeln: Vielleicht reicht es für die Tageszeitung, für eine Karriere als richtige Buchautorin reicht es offenbar nicht. Oder?
Als ich Montagmittag in der Stadtbücherei die FAZ durchblättere, stoße ich auf eine Anzeige: Der Publika-Kracht-Stade-Verlag, abgekürzt PKS-Verlag, sucht Autoren, auch Nachwuchsautoren! Mein Herz schlägt schneller, ich notiere Adresse und Angebot, renne nach Hause und tippe sofort die Bewerbung, mit Lebenslauf, Textproben und allem, was dazugehört. Schon nach einer Woche kommt ein Brief, den ich aufgeregt öffne. Und da steht es, fett gedruckt, schwarz auf weiß und unmissverständlich: Sie wollen mein Buch veröffentlichen.
Der PKS-Verlag schreibt: »Wir haben Ihr Werk in der Lektorenkonferenz eingehend geprüft und sind …«einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass Sie ein großes Talent sind …«
Wow! Einstimmig. Das verschlägt mir den Atem.
Dann lese ich auch die zweite Seite: »… bei Neuautoren ist das wirtschaftliche Risiko ziemlich groß …« Natürlich, das ist doch klar. »Deswegen ist es notwendig, dass Sie sich dieses Mal an den entstehenden Druckkosten beteiligen. Sie können sich auch einen Sponsor suchen, das ist durchaus üblich in der Branche und viel leichter, als Sie denken.«
Gedankensalat! Wer könnte mich finanzieren? Wer glaubt an mich? Wer erkennt mein Talent und investiert darin? Investieren? Wie viel überhaupt?
Umgehend antworte ich dem PKS-Verlag, bedanke mich herzlich für das Angebot und frage, wie viel Geld ich aufbringen muss, um mein Buch zu veröffentlichen. Postwendend weiß ich Bescheid: Eine Auflage von dreitausend Büchern wird etwa zwanzigtausend Mark kosten. Ich muss mich setzen. Niemand, den ich kenne, hat so viel Geld.
Zufällig erfahre ich, dass es noch andere solcher Verlage gibt. Sie heißen Druckkostenzuschussverlage, abgekürzt DKZ-Verlage. Jetzt bin ich neugierig geworden, recherchiere, finde etliche Adressen solcher Firmen, die sich auch gern »Dienstleister-Verlage« nennen, schreibe sie an, schicke ihnen meine Reime und Gedichte. Die haben auf dem Buchmarkt nämlich keine Chance, das weiß ich inzwischen. Ich selbst würde auch keine Gedichte von Lieschen Müller oder Tante Grete aus Rödinghausen kaufen. Aber ich will einfach wissen, was da vorgeht. Vielleicht werde ich mal einen Artikel über diese Praktiken schreiben, schließlich bin ich jetzt Journalistin.
All diese Druckkostenzuschussverlage loben ausnahmslos meinen Stil, meine Schreibe, meine Kreativität, meine Originalität. Alle wollen mich als Autorin. Aber nur, wenn ich Geld habe.
Ich finde im Prospektmaterial eines DKZ-Verlags das Porträt einer jungen Autorin aus Bremen. Auf dem Foto sieht sie nett aus. Ich recherchiere ihre Adresse und schreibe ihr einen freundlichen Brief. Darin bitte ich sie, mir von ihren Erfahrungen mit dem DKZ-Verlag zu erzählen. Sie schreibt mir zurück, dass sie sich von mir nicht in die Pfanne hauen ließe, von mir nicht, da müsste ich aber früher aufstehen. Wie bitte? Wie ist die denn drauf? Ich habe doch nur freundlich gefragt, warum macht sie mich so an?
Jetzt bin ich wach und recherchiere weiter.
Die Erfahrungen derer, die in solchen Verlagen veröffentlicht haben, sind schrecklich. Viele Autoren sind finanziell ruiniert, sie haben hohe Kredite aufgenommen, sitzen nun auf ihren schlampig oder gar nicht lektorierten Büchern und wissen nicht, wie sie die verkaufen sollen. Werbung ist im Dienstleistungsumfang der DKZ-Verlage nämlich nicht enthalten. Man kann ein PR-Paket dazukaufen, selbstverständlich, das
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