Vom Kriege
Luft machen wollte.
[238] Die Entscheidung, welche die Hauptschlacht gibt, hängt zum Teil von ihr selbst ab, haben wir gesagt, d. h. von der Menge der Streitkräfte, mit welchen sie geliefert wird, und von der Größe des Erfolgs.
Wie der Feldherr in Beziehung auf den ersten Punkt ihre Wichtigkeit steigern kann, ist an sich klar, und wir wollen nur bei der Bemerkung stehenbleiben, daß mit dem Umfang der Hauptschlacht die Menge der Fälle wächst, welche durch sie mitentschieden werden, und daß deshalb Feldherren, welche im Vertrauen zu sich die großen Entscheidungen liebten, es immer möglich gemacht haben, den größten Teil ihrer Streitkräfte darin zu verwenden, ohne auf anderen Punkten dadurch wesentlich zu versäumen.
Was den Erfolg oder, genauer gesprochen, die intensive Stärke des Sieges betrifft, so hängt diese hauptsächlich von vier Verhältnissen ab:
1. Von der taktischen Form, in welcher die Schlacht geliefert wird.
2. Von der Natur der Gegend.
3. Von dem Waffenverhältnis.
4. Von dem Machtverhältnis.
Eine Schlacht mit gerader Front und ohne Umgehung wird selten einen so großen Erfolg geben als eine, in welcher der Besiegte umgangen war, oder die er mit mehr oder weniger verwandter Front liefern mußte. In durchschnittener oder bergiger Gegend ist der Erfolg ebenfalls geringer, weil die Stoßkraft überall geschwächt ist.
Hat der Besiegte eine gleiche oder überlegene Reiterei, so fallen die Wirkungen des Verfolgens und damit ein großer Teil der Siegeserfolge weg.
Endlich ist es an sich verständlich, wie ein Sieg, welcher mit Übermacht erfochten wird, wenn diese zur Umgehung oder Frontveränderung benutzt worden ist, einen größeren Erfolg geben wird, als wenn der Sieger schwächer war als der Besiegte. Die Schlacht von Leuthen möchte zwar an der praktischen Richtigkeit dieses Grundsatzes zweifeln lassen, aber es sei uns erlaubt, hier einmal zu sagen, was wir sonst nicht lieben: keine Regel ohne Ausnahme.
In allen diesen Wegen hat also der Feldherr das Mittel, seiner Schlacht einen entscheidenden Charakter zu geben; freilich wachsen damit die Gefahren, denen er sich aussetzt, aber diesem dynamischen Gesetz der moralischen Welt ist sein ganzes Handeln unterworfen.
So ist denn der Hauptschlacht im Kriege nichts an Wichtigkeit zu vergleichen, und die höchste Weisheit der Strategie offenbart sich in der Beschaffung der Mittel zu ihr, in ihrer geschickten Feststellung nach Ort, Zeit und Richtung der Kräfte und in der Benutzung ihres Erfolges.
Aus der Wichtigkeit dieser Gegenstände erfolgt aber nicht, daß sie sehr verwickelter und verborgener Natur sind vielmehr ist hier alles sehr einfach, die Kunst der Kombination sehr gering, aber groß das Bedürfnis an scharfer [239] Beurteilung der Erscheinungen, an Energie, an fester Konsequenz, an jugendlichem Unternehmungsgeist; heldenmütige Eigenschaften, an die wir uns noch oft werden wenden müssen. Es ist also hier wenig von dem nötig, was sich in Büchern lehren läßt, und viel von dem, was, wenn es je gelehrt werden kann, durch einen andern Leiter als den Buchstaben in den Feldherrn kommen muß.
Der Impuls der Hauptschlacht, die freie sichere Bewegung zu ihr, muß von dem Gefühl eigener Kraft und dem klaren Bewußtsein der Notwendigkeit, mit anderen Worten: er muß von dem angeborenen Mut und von dem durch große Lebensverhältnisse geschärften Blick ausgehen.
Große Beispiele sind die besten Lehrmeister, aber freilich ist es schlimm, wenn sich eine Wolke von theoretischen Vorurteilen dazwischenlegt, denn auch das Sonnenlicht bricht und färbt sich in Wolken. Solche Vorurteile, die sich in mancher Zeit wie ein Miasma bilden und verbreiten, zu zerstören, ist eine dringende Pflicht der Theorie, denn was menschlicher Verstand fälschlich erzeugt, kann auch bloßer Verstand wieder vernichten.
Zwölftes Kapitel: Strategische Mittel, den Sieg zu benutzen
Das Schwierigere, den Sieg möglichst vorzubereiten, ist ein stilles Verdienst der Strategie, sie wird kaum darüber belobt. Glänzend und ruhmvoll erscheint sie, indem sie den erfochtenen Sieg benutzt.
Welchen besonderen Zweck die Schlacht haben kann, wie sie in das ganze System des Krieges eingreift, bis wohin die Siegesbahn nach der Natur der Verhältnisse führen kann, wo ihr Kulminationspunkt liegt, alles das kann uns erst in der Folge beschäftigen. Aber für alle denkbaren Verhältnisse bleibt es wahr, daß ohne Verfolgen kein Sieg eine große Wirkung haben kann, und
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