Vom Kriege
Erfolgen zu suchen ist, und daß der Hauptzweck großer Schlachten die Vernichtung der feindlichen Streitkräfte sein muß.
Freilich findet sich das Vernichtungsprinzip auch in anderen Mitteln mehr oder weniger, freilich gibt es Fälle, wo durch eine Begünstigung der Umstände in einem kleinen Gefecht unverhältnismäßig viel feindliche Streitkräfte vernichtet werden können (Maxen), auf der anderen Seite kann in einer Hauptschlacht oft die Gewinnung oder Behauptung eines Postens als ein sehr wichtiger Zweck vorwalten: aber im allgemeinen bleibt es vorherrschend wahr, daß Hauptschlachten nur zur Vernichtung der feindlichen Streitkräfte geliefert, und daß diese nur durch die Hauptschlacht erreicht wird.
Die Hauptschlacht ist daher als der konzentrierte Krieg, als der Schwerpunkt des ganzen Krieges oder Feldzuges anzusehen. Wie sich die Strahlen der Sonne im Brennpunkt des Hohlspiegels zu ihrem vollkommenen Bilde und zur höchsten Glut vereinigen, so vereinigen sich Kräfte und Umstände des Krieges in der Hauptschlacht zu einer zusammengedrängten, höchsten Wirkung.
Die Versammlung der Streitkräfte zu einem großen Ganzen, welche mehr oder weniger in allen Kriegen stattfindet, deutet schon die Absicht an, mit diesem Ganzen einen Hauptschlag zu tun, entweder freiwillig wie der Angreifende, oder durch den anderen veranlaßt wie der Verteidiger. Wo nun dieser Hauptschlag nicht erfolgt, da haben sich an das ursprüngliche Motiv der Feindschaft andere, ermäßigende und aufhaltende angehangen und die Bewegung geschwächt, verändert oder ganz gehemmt. Aber auch selbst in diesem Zustande des gegenseitigen Nichthandelns, welcher in so vielen Kriegen der Grundton gewesen ist, bleibt auch die Idee der möglichen Hauptschlacht für beide Teile immer ein Richtpunkt, ein weit entlegener Brennpunkt für die Konstruktion ihrer Bahnen. Je mehr der Krieg wirklicher Krieg, je mehr er eine Erledigung der Feindschaft, des Hasses, ein gegenseitiges Überwältigen wird, um so mehr vereinigt sich alle Tätigkeit in blutigem Kampf, und um so stärker tritt auch die Hauptschlacht hervor.
Überall, wo ein großer, positiver, also in das Interesse des Gegners tief eingreifender Zweck das Ziel ist, bietet sich die Hauptschlacht als das natürlichste Mittel dar; sie ist darum auch das beste, wie wir in der Folge noch näher zeigen werden, und es bestraft sich in der Regel, wenn sie aus Scheu vor der großen Entscheidung umgangen worden ist.
Der positive Zweck gehört dem Angreifenden, und so ist die Hauptschlacht auch vorzugsweise sein Mittel. Aber ohne die Begriffe von Angriff und Verteidigung hier näher bestimmen zu können, müssen wir doch sagen, daß selbst der Verteidiger in den meisten Fällen nur dies eine wirksame Mittel hat, um früh oder spät mit demselben den Bedürfnissen seiner Lage zu entsprechen, seine Aufgaben zu lösen.
[236]Die Hauptschlacht ist der blutigste Weg der Lösung; zwar ist sie kein bloßes gegenseitiges Morden und ihre Wirkung mehr ein Totschlagen des feindlichen Mutes, als der feindlichen Krieger, wie wir das im nächsten Kapitel näher betrachten wollen, allein immer ist Blut ihr Preis und Hinschlachten ihr Charakter wie ihr Name; davor schaudert der Mensch im Feldherrn zurück.
Aber noch mehr erbebt der Geist des Menschen vor dem Gedanken der mit einem einzigen Schlag gegebenen Entscheidung. In einen Punkt des Raumes und der Zeit ist hier alles Handeln zusammengedrängt, und in solchen Augenblicken regt sich in uns ein dunkles Gefühl, als ob sich unsere Kräfte in diesem engen Raume nicht entwickeln und tätig werden könnten, als ob wir mit der bloßen Zeit schon viel gewonnen hätten, wenn auch diese Zeit uns gar nichts schuldig ist. Dies ist eine bloße Täuschung, aber auch als Täuschung ist es etwas, und eben diese Schwäche, welche den Menschen bei jeder anderen großen Entscheidung anwandelt, kann sich im Feldherrn stärker regen, wenn er einen Gegenstand von so ungeheurem Gewicht auf eine Spitze stellen soll.
So haben denn Regierungen und Feldherren zu allen Zeiten stets Wege um die entscheidende Schlacht herum gesucht, um entweder ihr Ziel ohne dieselbe zu erreichen, oder es unvermerkt fallen zu lassen. Die Geschichts- und Theorienschreiber haben sich dann abgemüht, in diesen Feldzügen und Kriegen in irgendeinem andern Wege nicht bloß das äquivalent der versäumten Schlachtentscheidung zu finden, sondern selbst eine höhere Kunst. Auf diese Weise sind wir in unserer Zeit nahe
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