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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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schienen den Feldherren so sehr die Hauptsache, daß sie an die eigentliche Vernichtung der feindlichen Streitkraft dabei weniger dachten, wie denn diese Vernichtung der Streitkraft ihnen nur als eins von den vielen Mitteln des Krieges, nicht einmal wie das Hauptmittel, geschweige denn wie das einzige erschien. Um so lieber steckten sie den Degen in die Scheide, sobald der Gegner den seinigen gesenkt hatte. Es erschien ihnen nichts natürlicher, als den Kampf einzustellen, sobald die Entscheidung gegeben war, und alles fernere Blutvergießen als unnütze Grausamkeit. Wenn diese falsche Philosophie auch nicht den ganzen Entschluß ausmachte, so gab sie doch den Gesichtspunkt, unter welchem die Vorstellungen von Erschöpfung aller Kräfte und physischer Unmöglichkeit der Fortsetzung des Kampfes leichter Eingang und starkes Gewicht fanden. Freilich liegt die Schonung seines eigenen Siegesinstrumentes nahe genug, wenn man [243] nur dies eine besitzt und voraussieht, daß bald ein Zeitpunkt kommen wird, wo es ohnehin nicht zureicht für alles, was man dann zu tun hat, wie denn in der Regel jedes Fortschreiten in der Offensive dazu führt. Allein diese Rechnung war doch insofern falsch, als offenbar der weitere Verlust an Streitkräften, den man beim Verfolgen erleiden konnte, mit dem feindlichen in gar keinem Verhältnis stand. Jene Betrachtung konnte also eben nur wieder entstehen, indem man die Streitkräfte nicht als die Hauptsache betrachtete. So finden wir denn, daß in den früheren Kriegen nur die eigentlichen Heroen, wie Karl XII., Marlborough, Eugen, Friedrich der Große ihren Siegen da, wo sie entschieden genug waren, eine kräftige Verfolgung hinzufügten, und daß die andern Feldherren sich gewöhnlich mit dem Besitz des Schlachtfeldes begnügten. In der neueren Zeit hat die größere Energie, welche die Kriegführung durch die größeren Verhältnisse bekommen hatte, aus denen sie hervorgegangen war, diese konventionellen Schranken vernichtet; das Verfolgen ist ein Hauptgeschäft des Siegers geworden, die Trophäen haben deswegen an Umfang sehr zugenommen, und wenn man auch in neueren Schlachten Fälle sieht, wo dies nicht ist, so gehören sie doch zu den Ausnahmen und sind immer durch besondere Umstände motiviert.
    Bei Görschen und Bautzen verhinderte nur Überlegenheit der verbündeten Reiterei eine gänzliche Niederlage; bei Großbeeren und Dennewitz das Mißwollen des Kronprinzen von Schweden, bei Laon des alten Blüchers schwacher persönlicher Zustand.
    Aber auch Borodino ist ein hierher gehöriges Beispiel, und wir können uns nicht enthalten, ein paar Worte mehr darüber zu sagen, teils weil wir nicht glauben, daß die Sache mit einem bloßen Tadel Bonapartes abgemacht sei, teils weil es scheinen möchte, als gehörte dieser und mit ihm eine große Zahl ähnlicher Fälle zu denjenigen, welche wir als so äußerst selten betrachtet haben, wo die allgemeinen Verhältnisse den Feldherrn schon am Ausgang seiner Schlacht ergreifen und fesseln. Es haben namentlich französische Schriftsteller und große Verehrer Bonapartes (Vaudoncourt, Chambray, Segur) ihn entschieden darüber getadelt, daß er das russische Heer nicht gänzlich vom Schlachtfelde vertrieben und seine letzten Kräfte zur Zertrümmerung desselben angewendet habe, weil dann, was jetzt eine bloß verlorene Schlacht war, eine völlige Niederlage geworden sein würde. Es würde uns hier zu weit führen, die gegenseitige Lage beider Heere umständlich darzustellen, aber soviel ist klar, daß Bonaparte, der, als er über den Njemen ging, in denjenigen Korps, welche in der Folge die Schlacht von Borodino schlugen, 300000 Mann gehabt hatte, wovon jetzt nur 120000 übrig waren, wohl die Besorgnis haben konnte, er werde nicht genug übrig behalten, um auf Moskau marschieren zu können, welches der Punkt war, auf den alles anzukommen schien. Ein Sieg, wie er ihn erfochten hatte, gab ihm ziemlich die Gewißheit von der Einnahme dieser Hauptstadt, denn daß die Russen innerhalb 8 Tagen eine zweite Schlacht liefern konnten, schien höchst unwahrscheinlich; [244] in Moskau aber hoffte er den Frieden zu finden. Freilich würde ein zertrümmertes russisches Heer ihm diesen Frieden viel gewisser gemacht haben, aber die erste Bedingung war doch immer, hinzugekommen, d. h. mit einer Macht hinzukommen, mit welcher er die Hauptstadt und durch sie dem Reich und der Regierung als ein Gebieter erschien. Was er nach Moskau brachte, reichte dazu nicht mehr hin, wie

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