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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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daran gewesen, in der Ökonomie des Krieges die Hauptschlacht wie ein durch Fehler notwendig gewordenes Übel anzusehen, als eine krankhafte Äußerung, zu der ein ordentlicher, vorsichtiger Krieg niemals führen müßte; nur diejenigen Feldherren sollten Lorbeeren verdienen, die es verständen, den Krieg ohne Blutvergießen zu führen, und die Theorie des Krieges, ein wahrhafter Brahminendienst, sollte ganz eigens dazu bestimmt sein, dies zu lehren.
    Die Geschichte der Zeit hat diesen Wahn zerstört, aber kein Mensch kann dafür einstehen, daß er nicht hier und da auf kürzere oder längere Zeit zurückkehrt und die Führer der Angelegenheiten zu solchen Verkehrtheiten hinzieht, die der Schwäche zusagen, also dem Menschen näher liegen. Vielleicht, daß man in einiger Zeit Bonapartes Feldzüge und Schlachten wie Rohheiten und halbe Dummheiten betrachtet und noch einmal mit Wohlgefallen und Zutrauen auf den Galanteriedegen veralteter, zusammengeschrumpfter Einrichtungen und Manieren sieht. Kann die Theorie davor warnen, so hat sie denen, welche ihrer Warnung Gehör geben, einen wesentlichen Dienst geleistet. Möchte es uns gelingen, denen, die in unserem teuren Vaterlande berufen sind, eine wirksame Meinung in diesen Dingen zu haben, die Hand zu reichen, um ihnen als Führer in diesem Felde zu dienen und sie zu einer redlichen Prüfung der Gegenstände aufzufordern.
    [237] Nicht bloß der Begriff des Krieges führt uns dahin, eine große Entscheidung nur in einer großen Schlacht zu suchen, sondern auch die Erfahrung. Von jeher haben nur große Siege zu großen Erfolgen geführt, bei dem Angreifenden unbedingt, bei dem Verteidiger mehr oder weniger. Selbst Bonaparte würde das in seiner Art einzige Ulm nicht erlebt haben, wenn er das Blutvergießen gescheut hätte; vielmehr ist es nur als eine Nachernte der Siegesfälle seiner früheren Feldzüge anzusehen. Es sind nicht bloß die kühnen Feldherren, die verwegenen, die trotzigen, die ihr Werk mit dem großen Wagstück entscheidender Schlachten zu vollbringen gesucht haben, es sind die glücklichen insgesamt; und von diesen können wir uns bei einer so umfassenden Frage die Antwort gefallen lassen.
    Wir mögen nichts hören von Feldherren, die ohne Menschenblut siegen. Wenn das blutige Schlachten ein schreckliches Schauspiel ist, so soll das nur eine Veranlassung sein, die Kriege mehr zu würdigen, aber nicht die Schwerter, die man führt, nach und nach aus Menschlichkeit stumpfer zu machen, bis einmal wieder einer dazwischen kommt mit einem scharfen, der uns die Arme beim Leibe weghaut.
    Wir betrachten eine große Schlacht als eine Hauptentscheidung, aber freilich nicht als die einzige, welche für einen Krieg oder Feldzug nötig wäre. Nur in der neueren Zeit sind die Fälle häufig gewesen, wo eine große Schlacht über einen ganzen Feldzug entschieden hat; die, wo sie über einen ganzen Krieg entschied, gehören zu den seltensten Ausnahmen.
    Die Entscheidung, welche durch eine große Schlacht bewirkt wird, hängt natürlich ab nicht nur von ihr selbst, d. h. von der Masse der in ihr versammelten Streitkräfte und von der intensiven Stärke des Sieges, sondern auch von einer Menge anderer Verhältnisse der gegenseitigen Kriegsmacht und der Staaten, welchen diese angehören. Allein indem die Hauptmasse der vorhandenen Streitkraft zum großen Zweikampf hingeführt wird, wird auch eine Hauptentscheidung eingeleitet, deren Umfang sich zwar in manchen Beziehungen vorher übersehen läßt, aber nicht in allen, und die, wenn auch nicht die einzige, doch die erste Entscheidung ist und als solche auch auf die folgenden einen Einfluß behält. Darum ist eine beabsichtigte Hauptschlacht nach ihren Verhältnissen mehr oder weniger, in gewissen Graden aber immer als der vorläufige Mittel- und Schwerpunkt des ganzen Systems zu betrachten. Je mehr der Feldherr mit dem eigentlichen Geist des Krieges wie jedes Kampfes auszieht, mit dem Gefühl und dem Gedanken, d. h. mit dem Bewußtsein, er müsse und werde seinen Gegner niederschlagen, um so mehr wird er alles in die Waagschale der ersten Schlacht legen, in ihr alles zu erringen hoffen und streben. Bonaparte ist wohl kaum in einem seiner Kriege ohne den Gedanken ausgezogen, seinen Gegner gleich in der ersten Schlacht niederzuschlagen; und Friedrich der Große, in kleineren Verhältnissen und beschränkteren Krisen, dachte ebenso, wenn er an der Spitze eines kleinen Heeres sich im Rücken gegen die Russen oder die Reichsarmee

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