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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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entweder einen förmlichen Nachtmarsch tun oder wenigstens seine Stellung noch in der Nacht verändern und weiter rückwärts verlegen, welches ungefähr dasselbe ist; der Sieger aber kann die Nacht ruhig zubringen.
    Die Anordnung der Märsche und die Wahl der Aufstellungen hängen auch in diesem Fall von so vielen anderen Dingen ab, besonders von der Verpflegung, von starken Abschnitten des Bodens, von großen Städten usw., daß es eine lächerliche Pedanterie sein würde, durch eine geometrische Auseinandersetzung zu zeigen, wie der Verfolgende dadurch, daß er dem Zurückgehenden das Gesetz gibt, diesen zwingen kann, jedesmal des Nachts zu marschieren, während er selbst des Nachts ruht. Allein nichtsdestoweniger bleibt es wahr und anwendbar, daß die Marscheinrichtungen des Verfolgens diese Tendenz haben können und dann die Wirksamkeit des Verfolgens sehr erhöhen werden. Wenn dies in der Ausführung selten berücksichtigt wird, so liegt es darin, daß ein solches Verfahren auch für das verfolgende Heer schwieriger ist, als ein regelmäßiges Innehalten der Stationen und der Tageszeit. Des Morgens bei guter Zeit aufbrechen, um mittags sein Lager einzunehmen, den übrigen Tages zur Beschaffung der Bedürfnisse und die Nacht zur Ruhe zu benutzen, ist eine viel bequemere Methode, als seine [246] Bewegungen genau nach den feindlichen einzurichten, mithin immer erst im letzten Augenblick zu bestimmer, bald morgens, bald abends aufzubrechen, sich immer mehrere Stunden im Angesicht des Feindes zu befinden, Kanonenschüsse mit ihm zu wechseln, Plänkeleien zu unterhalten, Umgehungen anzuordnen, kurz den ganzen Aufwand von taktischen Maßregeln zu machen, der dadurch erforderlich wird. Das lastet natürlich mit einem bedeutenden Gewicht auf dem verfolgenden Heer, und im Kriege, wo es der Lasten soviele gibt, sind die Menschen immer geneigt, sich die abzustreifen, die nicht gerade notwendig scheinen. Diese Betrachtungen bleiben wahr, sie mögen auf das ganze Heer oder, was der gewöhnliche Fall ist, auf eine starke Avantgarde anzuwenden sein. Aus den eben berührten Gründen sieht man denn dieses Verfolgen des zweiten Grades, dieses beständige Drängen des Besiegten ziemlich selten vorkommen. Selbst Bonaparte in seinem russischen Feldzuge von 1812 hat es wenig getan, aus dem hier sehr in die Augen springenden Grunde, daß die Schwierigkeiten und Mühseligkeiten dieses Feldzuges sein Heer ohnehin schon mit einer völligen Vernichtung bedrohten, ehe er das Ziel erreicht haben würde; dagegen haben die Franzosen in ihren anderen Feldzügen sich auch in diesem Punkt durch ihre Energie ausgezeichnet.
    Der dritte und der wirksamste Grad des Verfolgens ist endlich der Parallelmarsch nach dem nächsten Ziel des Rückzugs.
    Jedes geschlagene Heer wird natürlich hinter sich, näher oder entfernter, einen Punkt haben, dessen Erreichung ihm zunächst sehr am Herzen liegt, sei es, daß sein fernerer Rückzug dadurch gefährdet werden kann, wie bei Straßenengen, oder daß es für den Punkt selbst wichtig ist, ihn vor dem Feinde zu erreichen, wie bei Hauptstädten, Magazinen usw., oder endlich, daß das Heer auf diesem Punkt neue Widerstandsfähigkeit gewinnen kann, wie bei festen Stellungen, Vereinigung mit anderen Korps usw.
    Richtet nun der Sieger auf einer Seitenstraße seinen Marsch auf diesen Punkt, so ist an sich klar, wie das den Rückzug des Besiegten auf eine verderbliche Art beschleunigen, in Eile, zuletzt in Flucht verwandeln könne. Der Besiegte hat nur drei Wege, dem entgegenzuwirken. Der erste würde sein, sich dem Feinde selbst entgegenzuwerfen, und durch einen unverhofften Angriff sich die Wahrscheinlichkeit des Erfolges zu verschaffen, die ihm seiner Lage nach im allgemeinen abgehen muß; dies setzt offenbar einen unternehmenden, kühnen Feldherrn und ein vortreffliches Heer voraus, welches besiegt, aber nicht in einer völligen Niederlage begriffen wäre; es dürfte also wohl in den wenigsten Fällen von dem Besiegten angewendet werden.
    Der zweite Weg ist die Beschleunigung des Rückzuges. Diese aber ist eben, was der Sieger will, und sie führt leicht zu übermäßiger Anstrengung der Truppen, wo denn in Scharen von Nachzüglern, in zerbrochenen Geschützen und Fahrzeugen aller Art unerhörte Verluste gemacht werden.
    Der dritte Weg ist das Ausbiegen, um die nächsten Abschneidungspunkte zu umgehen und in einer größeren Entfernung vom Feinde mit weniger [247] Anstrengung zu marschieren und so die Eile

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