Vom Kriege
unschädlicher zu machen. Dieser letzte Weg ist der allerschlimmste, da er gewöhnlich nur wie ein neues Borgen eines unzahlungsfähigen Schuldners zu betrachten ist und zu noch größerer Verlegenheit führt. Es gibt wohl Fälle, wo dieser Weg ratsam ist, andere, wo er allein übrigbleibt, auch Beispiele, wo er gelungen ist, aber im allgemeinen ist es gewiß wahr, daß weniger die klare Überzeugung, auf diesem Wege das Ziel sicherer zu erreichen, als ein anderer, unzulässiger Grund in denselben hineinzudrängen pflegt. Dieser Grund ist die Angst, mit dem Feinde handgemein zu werden. Wehe dem Feldherrn, der sich dieser hingibt. Wie sehr auch die moralische Kraft des Heeres gelitten habe, und wie gerecht die Besorgnisse sein mögen, bei jedem Zusammentreffen mit dem Feinde von dieser Seite im Nachteil zu sein, so wird das Übel durch das ängstliche Vermeiden aller Gelegenheit dazu nur schlimmer. Bonaparte würde im Jahre 1813 auch die 30 - 40000 Mann nicht über den Rhein gebracht haben, welche ihm nach der Schlacht von Hanau blieben, hätte er dieser Schlacht ausweichen und bei Mannheim oder Koblenz über den Rhein gehen wollen. Gerade durch kleine Gefechte, die mit Sorgfalt eingeleitet und geführt werden, und wobei dem Besiegten doch immer der Beistand der Gegend bleibt, weil er der Verteidiger ist, gerade durch diese kann die moralische Kraft des Heeres am ersten wieder gehoben werden.
Unglaublich ist die wohltätige Einwirkung des kleinsten Erfolges. Aber es gehört bei den meisten Führern eine Überwindung zu diesem Versuch; der andere Weg, der des Ausweichens, erscheint im ersten Augenblick soviel leichter, daß er meistens vorgezogen wird. Es ist also gewöhnlich gerade dieses Ausweichen, welches die Absicht des Siegers am meisten befördert und oft mit dem völligen Untergang des Besiegten endet. Wir müssen aber hierbei daran erinnern, daß vom ganzen Heere und nicht von einer einzelnen Abteilung die Rede ist, die, abgeschnitten, durch einen Umweg wieder zu den übrigen zu stoßen sucht; bei dieser sind die Verhältnisse anders und das Gelingen nicht ungewöhnlich. Eine Bedingung bei diesem Wettlauf um das Ziel aber ist, daß eine Abteilung des verfolgenden Heeres dem verfolgten auf gerader Straße nachziehe, um alles, was zurückbleibt, aufzulesen und den Eindruck, welchen die Gegenwart des Feindes immer macht, nicht zu versäumen. Dies hat Blücher in seinem übrigens musterhaften Verfolgungszug von Belle-Alliance bis Paris versäumt.
Solche Märsche schwächen den Verfolger freilich mit, und sie würden nicht zu raten sein, wenn das feindliche Heer von einem anderen, beträchtlichen, aufgenommen wird, wenn es einen ausgezeichneten Feldherrn an der Spitze hat und seine Vernichtung nicht schon sehr vorbereitet ist. Aber da, wo man sich dieses Mittel erlauben darf, wirkt es auch wie eine große Maschine. Das geschlagene Heer verliert dabei so unverhältnismäßig durch Erkrankte und Ermüdete, und der Geist wird durch die beständige Besorgnis, verloren zu sein, so geschwächt und heruntergebracht, daß zuletzt an einen ordentlichen [248] Widerstand kaum noch zu denken ist; mit jedem Tage werden Tausende von Gefangenen eingebracht, ohne daß ein Schwertstreich fällt. In solcher Zeit des vollen Glücks darf der Sieger keine Teilung seiner Kräfte scheuen, um alles, was er mit seiner Armee erreichen kann, mit in den Strudel hineinzuziehen, entsendete Haufen abzuschneiden, unvorbereitete Festungen zu nehmen, große Städte zu besetzen usw. Er darf sich alles erlauben, bis ein neuer Zustand eintritt, und je mehr er sich erlaubt, um so später wird dieser eintreten.
An Beispielen so glänzender Wirkungen großer Hauptsiege und großartiger Verfolgung fehlt es in den Kriegen Bonapartes nicht. Wir dürfen nur an die Schlachten von Jena, Regensburg, Leipzig und Belle-Alliance erinnern.
Dreizehntes Kapitel: Rückzug nach verlorener Schlacht
In der verlorenen Schlacht ist die Macht des Heeres gebrochen worden, noch mehr die moralische als die physische. Eine zweite, ohne daß neue, vorteilhafte Umstände ins Spiel kommen, würde zur gänzlichen Niederlage, vielleicht zum Untergange führen. Das ist ein militärisches Axiom. Nach der Natur der Sache geht der Rückzug bis zu demjenigen Punkt, wo sich das Gleichgewicht der Kräfte wieder hergestellt haben wird, sei es durch Verstärkung oder durch den Schutz bedeutender Festungen, oder durch große Abschnitte des Bodens oder durch die Ausdehnung der feindlichen
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