Vom Kriege
Stationen und Nuancen kriegerischen Lebens.
Umgekehrt kann die Natur des Krieges auf das Verhältnis der Waffen einen merklichen Einfluß haben.
Erstens: Ein auf Landwehr und Landsturm gestützter Volkskrieg muß natürlich eine große Menge Fußvolk aufstellen; denn in einem solchen fehlt es mehr an Ausrüstungsmitteln, als an Menschen, und da die Ausrüstung ohnehin dabei noch auf das Allernotwendigste beschränkt wird, so kann man leicht denken, daß für eine Batterie von acht Geschützen nicht ein Bataillon, sondern zwei oder drei gestellt werden könnten.
Zweitens: Kann ein Schwacher gegen einen Mächtigen nicht zur Volksbewaffnung oder einem derselben nahe kommenden Landwehrstande seine Zuflucht nehmen, so ist allerdings die Vermehrung der Artillerie das kürzeste Mittel, seine schwache Streitkraft dem Gleichgewicht zu nähern; denn er gewinnt die Menschen und erhöht das wesentlichste Prinzip seiner Streitkraft, nämlich das Vernichtungsprinzip. Ohnehin wird er meistens auf ein kleines Kriegstheater beschränkt sein, und diese Waffe sich also mehr für ihn eignen. Friedrich der Große ergriff dies Mittel in den späteren Jahren des Siebenjährigen Krieges.
Drittens: Die Reiterei ist die Waffe der Bewegung und großen Entscheidungen; ihr Vorherrschen über das gewöhnliche Verhältnis ist also wichtig bei sehr ausgedehnten Räumen, großen Hin- und Herzügen und der Absicht großer, entscheidender Schläge. Bonaparte gibt ein Beispiel davon.
[267] Daß Angriff und Verteidigung nicht eigentlich an sich einen Einfluß darauf haben können, wird erst deutlich werden können, wenn wir von diesen beiden Formen der kriegerischen Tätigkeit reden; vorläufig wollen wir nur bemerken, daß beide, der Angreifende wie der Verteidiger, in der Regel dieselben Räume durchziehen und auch, wenigstens in vielen Fällen, dieselben entscheidenden Absichten haben können. Wir erinnern an den Feldzug von 1812.
Gewöhnlich ist man der Meinung, daß die Reiterei im Verhältnis zum Fußvolk im Mittelalter sehr viel zahlreicher gewesen sei und nach und nach bis auf unsere Tage abgenommen habe. Dies ist doch wenigstens zum Teil ein Mißverständnis. Das Verhältnis der Reiterei war der Zahl nach, war im Durchschnitt vielleicht nicht bedeutend größer, wie man sich wohl überzeugen wird, wenn man die genaueren Angaben der Streitkräfte durch das Mittelalter verfolgt. Man denke nur an die Massen des Fußvolks, welche die Heere der Kreuzfahrer ausmachten oder den deutschen Kaisern auf ihren Römerzügen folgten. Aber es war die Wichtigkeit der Reiterei, welche viel größer war. Sie war die stärkere Waffe, aus dem besten Teile des Volkes zusammengesetzt, und war dies so sehr, daß sie, obgleich immer sehr viel schwächer an Zahl, doch immer als die Hauptsache angesehen, das Fußvolk wenig gerechnet, kaum genannt wurde; daher denn auch die Meinung entstanden ist, als habe es damals dessen sehr wenig gegeben. Freilich kam bei kleineren Kriegsanfällen im Innern von Deutschland, Frankreich und Italien der Fall öfter als jetzt vor, daß das ganze kleine Heer aus bloßer Reiterei bestand; da sie die Hauptwaffe war, so hatte das nichts Widersprechendes; allein diese Fälle können nicht entscheiden, wenn wir die Allgemeinheit im Auge haben, wo sie von den größeren Heeren reichlich übertragen werden. Nur als alle Lehnsverbindlichkeit in der Kriegführung aufgehört hatte, die Kriege durch geworbene, gemietete und besoldete Soldaten geführt wurden, also auf Geld und Werbung sich stützten, also in den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges und der Kriege unter Ludwig XIV., da hörte dieser Gebrauch einer großen Masse weniger nützlichen Fußvolkes auf, und man würde vielleicht ganz auf Reiterei zurückgekommen sein, wenn das Fußvolk nicht schon durch eine merkliche Ausbildung des Feuergewehrs an Wichtigkeit zugenommen und sich dadurch einigermaßen in seiner überlegenen Zahl behauptet hätte; das Verhältnis desselben zur Reiterei war in dieser Periode, wenn es schwach war, wie 1 : 1, wenn es zahlreich war, wie 3 : 1.
Von jener Wichtigkeit hat die Reiterei seitdem immer mehr eingebüßt, je weiter die Ausbildung der Feuerwaffen gegangen ist. Dies ist schon an sich verständlich genug, nur muß diese Ausbildung nicht bloß auf die Waffe selbst und die Kunstfertigkeit ihres Gebrauchs bezogen werden, sondern auch auf den Gebrauch der damit ausgerüsteten Heeresteile. In der Mollwitzer Schlacht hatten es die Preußen auf den
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