Vom Kriege
höchsten Grad der Feuerfertigkeit gebracht, der auch seitdem in diesem Sinn nicht weiter hat getrieben [268] werden können. Dagegen ist der Gebrauch des Fußvolkes in durchschnittener Gegend und des Feuergewehres im Schützengefecht erst seitdem aufgekommen und all ein großer Fortschritt in dem Vernichtungsakt zu betrachten.
Unsere Meinung ist also, daß das Verhältnis der Reiterei sich der Zahl nach wenig, der Wichtigkeit nach aber sehr verändert hat. Dies scheint ein Widerspruch zu sein, ist es aber in der Tat nicht. Das Fußvolk des Mittelalters war nämlich, wenn es sich in großer Zahl beim Heere befand, nicht durch sein inneres Verhältnis zur Reiterei auf diese Zahl gekommen, sondern weil alles, was man nicht zu der viel kostbareren Reiterei stellen konnte, als Fußvolk gestellt wurde; dieses Fußvolk war also ein bloßer Behelf, und die Reiterei hätte, wenn ihre Zahl bloß nach ihrem inneren Wert bestimmt werden sollte, nie zu stark sein können. So ist zu begreifen, wie trotz der stets verminderten Wichtigkeit die Reiterei vielleicht immer noch Bedeutung genug hat, um sich auf dem Punkt des Zahlenverhältnisses zu erhalten, welchen sie bisher so dauernd behauptet hat.
In der Tat ist es bemerkenswert, daß wenigstens seit dem Österreichischen Sukzessionskriege das Verhältnis der Reiterei zum Fußvolk sich gar nicht verändert und immer zwischen einem Vierteil, einem Fünfteil und einem Sechsteil desselben geschwebt hat; dies scheint anzudeuten, daß in demselben das natürliche Bedürfnis gerade befriedigt sei, und sich also darin diejenigen Größen kundtäten, die unmittelbar nicht auszumitteln sind. Wir zweifeln doch, daß dem so sei, und finden, daß die anderweitigen Veranlassungen zu einer zahlreichen Reiterei in den namhaftesten Fällen offenbar am Tage liegen.
Rußland und Österreich sind Staaten, welche darauf hingewiesen sind, weil sie noch Bruchstücke tatarischer Einrichtung in ihrem Staatsverband haben. Bonaparte konnte für seine Zwecke nie stark genug sein; hatte er nun die Konskription benutzt, soviel immer möglich war, so blieb ihm nur noch die Verstärkung seines Heeres durch Vermehrung der Hilfswaffen, welche mehr auf das Geld als auf Menschenverbrauch gegründet sind. Außerdem ist nicht zu verkennen, daß bei dem ungeheuren Umfange seiner kriegerischen Züge die Reiterei einen höheren Wert haben mußte, als in gewöhnlichen Fällen.
Friedrich der Große rechnete bekanntlich sehr ängstlich jeden Rekruten nach, den er seinem Lande ersparen konnte; es war seine Hauptindustrie, sein Heer soviel als möglich auf Kosten des Auslandes stark zu erhalten. Daß er dazu alle Ursache hatte, begreift man, wenn man bedenkt, daß ihm von der kleinen Ländermasse noch Preußen und die westfälischen Provinzen entzogen waren.
Die Reiterei, außerdem, daß sie überhaupt weniger Menschen erfordert, ergänzte sich auch viel leichter durch Werbung; dazu kam sein durchaus auf Überlegenheit in der Bewegung gegründetes Kriegssystem, und so geschah es, daß sich seine Reiterei, während sein Fußvolk abnahm, bis Ende des Siebenjährigen Krieges hin immer noch vermehrte; doch betrug sie selbst am Ende desselben schwerlich über ein Vierteil der im Felde stehenden Infanterie.
[269] Es fehlte in der eben bezeichneten Epoche auch nicht an Beispielen, daß Armeen mit ungewöhnlich schwacher Reiterei aufgetreten sind und doch den Sieg erhalten haben. Das namhafteste ist die Schlacht von Groß-Görschen. Bonaparte war, wenn wir bloß auf die Divisionen sehen, die teil an dem Gefecht genommen, 100000 Mann stark, wobei 5000 Mann Reiterei und 90000 Mann Fußvolk; die Verbündeten 70000 Mann, wobei 25000 Mann Reiterei und 40000 Mann Fußvolk. Bonaparte hatte also für 20000 Mann Reiterei, welche ihm abgingen, nur 50000 Mann Fußvolk mehr, er hätte aber 100000 dafür haben sollen. Hat er die Schlacht mit jenem Übergewicht an Fußvolk gewonnen, so kann man wohl fragen, ob er sie, wenn das Verhältnis 140000 zu 40000 gewesen wäre, überhaupt möglicherweise hätte verlieren können.
Freilich zeigte sich gleich nach der Schlacht der große Nutzen unserer Überlegenheit an Reiterei, denn Bonaparte erntete fast keine Siegestrophäe. Der Gewinn der Schlacht ist also nicht alles - aber bleibt es nicht immer die Hauptsache?
Wenn wir solche Betrachtungen anstellen, so haben wir Mühe, zu glauben, daß das Verhältnis, auf welches sich Reiterei und Fußvolk seit 80 Jahren gestellt und erhalten haben, das
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