Vom Kriege
natürliche, bloß aus ihrem absoluten Werte hervorgehende sei; wir sind vielmehr der Meinung, daß nach manchem Oszillieren das Verhältnis dieser beiden Waffen sich ferner in dem bisherigen Sinn verändern, und die konstante Zahl der Reiterei am Ende bedeutend geringer werden wird. –
Was die Artillerie betrifft, so ist die Anzahl der Geschütze natürlich seit ihrer Erfindung und mit ihrer Erleichterung und Vervollkommnung gestiegen, doch erhält auch sie sich seit Friedrich dem Großen ziemlich auf demselben Verhältnis von 2 bis 3 Geschützen auf 1000 Mann, wohlverstanden bei Eröffnung des Feldzuges; denn im Laufe desselben schmilzt die Artillerie nicht so zusammen wie das Fußvolk, daher ist das Verhältnis am Ende des Feldzuges merklich stärker und kann zu 3, 4 bis 5 Geschützen auf 1000 Mann angenommen werden. Ob dies Verhältnis das natürliche ist, oder die Vermehrung der Geschütze noch weitergehen kann, ohne der ganzen Kriegführung zum Nachteil zu gereichen, muß der Erfahrung überlassen bleiben.
Fassen wir jetzt noch ein Hauptresultat unserer ganzen Betrachtung auf, so ist es:
1. Daß das Fußvolk die Hauptwaffe ist, welcher die andern beiden zugeordnet sind.
2. Daß man durch einen größeren Aufwand von Kunst und Tätigkeit in der Führung des Krieges den Mangel beider einigermaßen ersetzen kann, vorausgesetzt, daß man dafür um so viel stärker an Fußvolk sei, und daß man dies um so eher kann, je besser dieses Fußvolk ist.
[270] 3. Daß die Artillerie schwerer zu entbehren ist als die Reiterei, weil sie das Hauptvernichtungsprinzip und ihr Gefecht mit dem des Fußvolks mehr verschmolzen ist.
4. Daß überhaupt, da die Artillerie im Vernichtungsakt die stärkste Waffe ist, und die Reiterei die schwächste, man immer fragen muß: wieviel Artillerie kann man ohne Nachteil haben, und mit wie wenig Reiterei kann man sich behelfen?
Fünftes Kapitel: Schlachtordnung des Heeres
Die Schlachtordnung ist diejenige Einteilung und Zusammensetzung der Waffen zu einzelnen Gliedern des Ganzen, und diejenige Form ihrer Aufstellung, welche für den ganzen Feldzug oder Krieg die Norm bleiben soll.
Sie besteht also gewissermaßen aus einem arithmetischen und einem geometrischen Element der Einteilung und der Aufstellung. Die erstere geht von der festen Friedensorganisation des Heeres aus, nimmt gewisse Teile, wie Bataillone, Schwadronen, Regimenter und Batterien als Einheiten an und bildet davon die größeren Glieder bis zum Ganzen hinauf nach dem Bedürfnis der herrschenden Umstände. Auf eben die Art geht die Aufstellung von der Elementartaktik aus, welche dem Heere im Frieden gelehrt und eingeübt ist, und die als eine im Augenblick des Krieges nicht mehr wesentlich zu verändernde Eigenschaft desselben angesehen werden muß, knüpft daran die Bedingungen, welche der Gebrauch der Truppen im Kriege und im großen erfordert, und bestimmt so im allgemeinen die Norm, nach welcher das Heer zum Gefecht aufgestellt werden soll.
Dies ist überall der Fall gewesen, wo große Heere ins Feld gerückt sind, und es gab sogar Zeiten, wo diese Form als das wesentlichste Stück des Gefechtes angesehen wurde.
Als im 17. und 18. Jahrhundert die Ausbildung des Feuergewehrs das Fußvolk in einem so hohen Grade vermehren und in so langen dünnen Linien auseinanderziehen ließ, wurde die Schlachtordnung dadurch zwar einfacher, aber zugleich schwieriger und künstlicher in der Ausführung, und da man nun nichts weiter mit der Reiterei anzufangen wußte, als sie auf den Flügeln zu verteilen, wo nicht geschossen wurde und wo Raum zum Reiten war, so machte die Schlachtordnung aus dem Heere jedesmal ein geschlossenes und unteilbares Ganzes. Schnitt man eine solche Armee in der Mitte entzwei, so war sie wie ein durchgeschnittener [271] Regenwurm; die Flügel hatten noch Leben und Beweglichkeit, aber sie hatten ihre natürlichen Funktionen verloren. Die Streitkraft lag also in einer Art von Bann der Einheit, und es war jedesmal eine kleine Organisation und Desorganisation nötig, wenn Teile davon getrennt aufgestellt werden sollten. Die Märsche, welche das Ganze machen mußten, waren ein Zustand, in welchem es sich gewissermaßen außer dem Gesetz befand. War der Feind in der Nähe, so mußten sie mit der höchsten Künstlichkeit angeordnet werden, um das eine Treffen oder den einen Flügel immer in einer erträglichen Entfernung von dem andern über Stock und Block wegzuführen; sie mußten dem Feinde beständig
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