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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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so reißt sie sich von ihrem Kriegstheater los, und wird dadurch geschwächt, d. h. sie läßt Festungen und Depots aller Art zurück. Je größer der Operationsraum ist, den sie zu durchschreiten hat, um so mehr wird sie geschwächt (durch den Marsch und durch Besatzungen); die verteidigende Armee bleibt mit allem dem verbunden, d. h. sie genießt den Beistand ihrer Festungen, wird durch nichts geschwächt und ist ihren Hilfsquellen näher.
    Der Beistand des Volks als fünftes Prinzip, findet zwar nicht bei jeder Verteidigung statt, denn es kann einen Verteidigungsfeldzug in Feindesland geben, aber dieses Prinzip geht doch nur aus dem Begriff der Verteidigung hervor, und findet seine Anwendung in den allermeisten Fällen. Übrigens ist hiermit vorzugsweise, aber doch nicht ausschließend, die Wirksamkeit eines Landsturms und einer Nationalbewaffnung gemeint, und es gehört auch dahin, daß alle Friktion geringer und alle Hilfsquellen näher sind und reichhaltiger fließen.
    [348] Eine deutliche Anschauung von der Wirksamkeit der unter 3 und 4 genannten Mittel, wie im Vergrößerungsspiegel, gibt der Feldzug von 1812: 500000 Mann gingen über den Njemen, 120000 schlugen die Schlacht von Borodino, und noch weniger kamen nach Moskau.
    Man kann sagen: die Wirkung dieses ungeheuren Versuchs war so groß, daß die Russen, auch wenn sie gar keine Offensive hätten folgen lassen, sich doch auf geraume Zeit vor einem neuen Einbruch gesichert haben würden. Freilich ist, mit Ausnahme Schwedens, kein europäisches Land in einer ähnlichen Lage wie Rußland, aber das wirkende Prinzip bleibt dasselbe und unterscheidet sich nur in dem Grade der Stärke.
    Fügt man dem vierten und fünften Prinzip die Betrachtung hinzu, daß diese Kräfte der Verteidigung sich auf die ursprüngliche, nämlich auf die im eigenen Lande, beziehen und geschwächt werden, wenn die Verteidigung auf feindlichen Boden verpflanzt und in Offensivunternehmungen verflochten ist, so wird daraus ungefähr, wie oben beim dritten Prinzip, ein neuer Nachteil des Angriffs; denn sowenig die Verteidigung aus bloß abwehrenden Elementen zusammengesetzt ist, ebensowenig ist der Angriff aus lauter aktiven Elementen zusammengesetzt, sogar muß sich jeder Angriff, der nicht unmittelbar zum Frieden führt, mit einer Verteidigung endigen.
    Werden nun alle Verteidigungselemente, die im Angriff vorkommen, durch seine Natur, das ist dadurch, daß sie ihm angehören, geschwächt, so muß dies wohl als ein allgemeiner Nachteil desselben betrachtet werden.
    Dies ist so wenig eine müßige Spitzfindigkeit, daß hierin vielmehr der Hauptnachteil alles Angriffs liegt, und daß man daher, bei jedem Entwurf zu einem strategischen Angriff, auf diesen Punkt, also auf die Verteidigung, welche ihm folgen wird, von Hause aus sein Hauptaugenmerk richten muß, wie wir das in dem Buche vom Feldzugsplan näher sehen werden.
    Die großen moralischen Kräfte, welche zuweilen das Element des Krieges wie ein eigener Gärungsstoff durchdringen, und deren sich also ein Feldherr in gewissen Fällen zur Verstärkung seiner Kräfte bedienen kann, sind wohl ebensogut auf der Seite der Verteidigung als des Angriffs zu denken; wenigstens treten diejenigen, welche im Angriff besonders glänzen, wie Verwirrung und Schrecken beim Gegner, gewöhnlich erst nach dem entscheidenden Schlage auf, und tragen folglich selten bei, diesem eine Richtung zu geben.
    Hiermit glauben wir unsern Satz: daß die Verteidigung eine stärkere Kriegsform sei als der Angriff, zur Genüge durchgeführt zu haben; es bleibt aber noch ein kleiner, bisher unbeachteter Faktor zu erwähnen übrig. Es ist der Mut, das Gefühl der Überlegenheit im Heere, welches aus dem Bewußtsein entspringt, zum Angreifenden zu gehören. Die Sache ist an sich wahr, nur geht das Gefühl sehr bald in dem allgemeineren und stärkeren unter, welches einem Heere durch seine Siege oder Niederlagen, durch das Talent oder die Unfähigkeit seines Führers gegeben wird.
Viertes Kapitel: Konzentrizität des Angriffs und Exzentrizität der Verteidigung
    Es kommen diese beiden Vorstellungen, diese beiden Formen in dem Gebrauch der Kräfte bei Angriff und Verteidigung, in Theorie und Wirklichkeit so häufig vor, daß sie sich der Phantasie unwillkürlich fast als notwendige, dem Angriff und der Verteidigung innewohnende Formen aufdringen, welches doch, wie die kleinste Überlegung zeigt, nicht eigentlich der Fall ist. Wir wollen sie daher so früh als möglich

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