Vom Kriege
August und September 1813 schon wie in einem Käfig eingesperrt hin und her sich wenden, ohne auf einen der Gegner rücksichtslos fortzuschießen? Im Oktober desselben Jahres aber, als das Mißverhältnis seinen Gipfel erreichte, sehen wir ihn nicht bei Leipzig, in dem Winkel der Parthe, Elster und Pleiße Schutz suchend, wie im Winkel eines Zimmers den Rücken gegen die Wand gelehnt, seine Feinde abwarten?
Wir können nicht unbemerkt lassen, daß aus diesem Kapitel mehr als aus irgendeinem andern unseres Buches, deutlich wird: wie wir es nicht darauf anlegen, neue Grundsätze und Methoden des Kriegführens anzugeben, sondern das längst Vorhandene in seinem innersten Zusammenhange zu untersuchen und auf seine einfachsten Elemente zurückzuführen.
Neuntes Kapitel: Die Verteidigungsschlacht
Wir haben im vorigen Kapitel gesagt, daß der Verteidiger sich in seiner Verteidigung einer Schlacht bedienen könne, die taktisch eine vollkommene Angriffsschlacht ist, wenn er den Gegner im Augenblick, wo er in unser Kriegstheater einbricht, aufsucht und angreift; daß er aber auch den Feind vor seiner Fronte abwarten und dann zum Angriff übergehen könne, in welchem Fall die Schlacht taktisch wieder eine Angriffsschlacht sein wird, obgleich schon eine etwas bedingte; endlich, daß er den Angriff des Gegners in seiner Stellung wirklich abwarten und demselben sowohl durch örtliche Verteidigung, als durch Anfälle mit einem Teil seiner Macht entgegenwirken könne. Hier lassen sich natürlich mehrere Grade und Abstufungen denken, welche immer mehr von dem Prinzip eines positiven Rückstoßes ab in das Prinzip einer örtlichen Verteidigung hineinführen. Wir können uns hier nicht darauf einlassen zu sagen, wie weit das gehen darf, und welches das vorteilhafteste Verhältnis beider Elemente zur Gewinnung eines entscheidenden Sieges sein möchte. Aber wir bleiben dabei stehen, daß, wo dieser gesucht wird, der offensive Teil der Schlacht niemals ganz fehlen dürfe, und wir haben die Überzeugung, daß von diesem offensiven Teile aus alle Wirkungen eines entscheidenden Sieges hervorgehen können und müssen, so gut wie in einer rein taktischen Offensivschlacht.
So wie das Schlachtfeld strategisch nur ein Punkt ist, so ist die Zeit einer Schlacht strategisch nur ein Moment, und nicht der Verlauf, sondern das Ende und Resultat einer Schlacht ist eine strategische Größe.
[375] Wäre es nun wahr, daß sich an die Angriffselemente, die in jeder Verteidigungsschlacht liegen, ein vollständiger Sieg anknüpfen läßt, so müßte für die strategische Kombination im Grunde zwischen Angriff und Verteidigungsschlacht gar kein Unterschied sein. So ist es auch nach unserer Überzeugung, aber es scheint freilich anders. Um den Gegenstand schärfer ins Auge zu fassen, unsere Ansicht klar zu machen und damit jenen Schein zu entfernen, wollen wir das Bild einer Verteidigungsschlacht, wie wir sie uns denken, flüchtig hinwerfen.
Der Verteidiger erwartet den Angreifenden in einer Stellung, er hat sich eine passende Gegend dazu ausersehen und eingerichtet, d. h. er hat sie genau kennengelernt, hat auf einem paar der wichtigsten Punkte tüchtige Schanzen errichtet, Verbindungen geöffnet und geebnet, Batterien eingeschnitten, Dörfer befestigt und passende Orte zur verdeckten Aufstellung seiner Massen ausgesucht usw. Eine mehr oder weniger starke Front, deren Zugang durch einen oder mehrere parallele Einschnitte oder andere Hindernisse oder auch durch den Einfluß vorherrschender fester Punkte erschwert wird, setzt ihn in den Stand, in den verschiedenen Stadien des Widerstandes bis zum Kern der Stellung hin, während sich die gegenseitigen Kräfte in ihren Berührungspunkten aneinander verzehren, mit wenigen der seinigen viele der feindlichen zu zerstören. Die Anlehnungspunkte, welche er seinen Flügeln gegeben hat, sichern ihn vor einem urplötzlichen Anfall von mehreren Seiten; die verdeckte Gegend, die er zur Aufstellung gewählt hat, macht den Angreifenden behutsam, ja zaghaft und gewährt dem Verteidiger die Mittel, die allgemeine rückgängige Bewegung des sich immer mehr zusammenziehenden Gefechts durch kleine glückliche Anfälle zu schwächen. So blickt der Verteidiger mit Zufriedenheit in die Schlacht, die mit gemäßigtem Element vor ihm fortbrennt; - aber er hält seinen Widerstand in der Fronte nicht für unerschöpflich - aber er glaubt seine Seiten nicht unantastbar - aber er erwartet von dem glücklichen Anfall einiger
Weitere Kostenlose Bücher