Vom Kriege
den er nicht glaubt überschreiten zu können, selbst wenn er beim weiteren Vorgehen fürchtet, seine Verpflegung nicht gehörig sichern zu können: so ist es immer nur das Schwert des Verteidigers, welches diese Wirkungen hervorbringt; denn die Furcht, von diesem Schwert besiegt zu werden, entweder in Hauptgefechten oder auf besonders wichtigen Punkten, ist es, was das Handeln des Angreifenden zum Stillstand bringt, nur wird er dies entweder gar nicht oder wenigstens nicht unumwunden aussprechen.
Gibt man uns nun auch zu, daß selbst bei der unblutigen Entscheidung in letzter Instanz die Gefechte entschieden haben, welche nicht wirklich stattfanden, sondern bloß angeboten wurden: so wird man doch meinen, daß in diesem Fall die strategische Kombination dieser Gefechte als das wirksamste Prinzip betrachtet werden müßte, nicht ihre taktische Entscheidung, und daß dieses Vorwalten der strategischen Kombination nur gemeint sein könne, wenn man an andere Verteidigungsmittel als die des Schwertes denke. Wir räumen dies ein, befinden uns nun aber gerade auf dem Punkte, auf welchen wir gelangen wollten. Wir sagen nämlich: wenn der taktische [370] Erfolg in den Gefechten die Grundlage aller strategischen Kombinationen ausmachen muß, so ist es immer möglich und zu fürchten, daß der Angreifende bis auf diese Grundlage durchgreift, sich vor allen Dingen darauf einrichtet, in diesen taktischen Erfolgen Meister zu werden, um dann die strategische Kombination zusammenzuwerfen; daß diese also niemals als etwas Selbständiges betrachtet werden muß, sondern daß sie nur gültig werden kann, wenn man wegen der taktischen Erfolge aus diesem oder jenem Grunde ohne Sorgen ist. Um uns hier mit wenigem verständlich zu machen, wollen wir nur daran erinnern, daß ein Feldherr wie Bonaparte durch ein ganzes strategisches Gewebe seiner Gegner rücksichtslos durchschritt, um den Kampf selbst aufzusuchen, weil er in diesem Kampf fast niemals an dem Ausgang zweifelte. Wo also die Strategie nicht ihre ganze Industrie darauf verwendet, ihn bei diesem Kampf mit einer überlegenen Macht zu unterdrücken, wo sie sich auf feinere (schwächere) Beziehungen einließ, war sie wie Spinnwebe zerrissen. Ein Feldherr aber wie Daun konnte durch solche Beziehungen leicht aufgehalten werden. Es wäre also töricht, einem Bonaparte und seiner Armee zu bieten, was die preußische Armee des Siebenjährigen Krieges Daun und der seinigen bieten durfte. Warum? - Weil Bonaparte recht gut wußte, daß alles auf die taktischen Erfolge ankomme, und derselben gewiß war, welches beides sich bei Daun anders verhielt. Darum also halten wir es für verdienstlich, zu zeigen, daß jede strategische Kombination nur auf den taktischen Erfolgen ruht, daß diese überall in der blutigen wie in der unblutigen Lösung die eigentlichen Grundursachen der Entscheidung sind. Nur wenn man diese nicht zu fürchten hat, sei’s wegen des Charakters oder der Verhältnisse des Gegners oder wegen des moralischen und physischen Gleichgewichts beider Heere, oder gar wegen des Übergewichts des unsrigen, nur dann kann man von den strategischen Kombinationen an sich etwas erwarten.
Wenn wir nun in dem ganzen Umfang der Kriegsgeschichte eine große Masse von Feldzügen finden, wo der Angreifende ohne blutige Entscheidung seinen Angriff aufgibt, wo sich also die strategischen Kombinationen so wirksam zeigen, so könnte das zu dem Gedanken führen, daß diese Kombinationen wenigstens in sich eine große Stärke haben und da, wo nicht in den taktischen Erfolgen eine zu entschiedene Überlegenheit des Angreifenden vorauszusetzen wäre, die Sache meistens allein entscheiden könnten. Hierauf müssen wir antworten, daß, wenn man von den Dingen spricht, die auf dem Kriegstheater ihren Ursprung haben, also dem Kriege selbst mehr angehören, auch diese Vorstellung falsch ist, und daß die Unwirksamkeit der meisten Angriffe ihren Grund in den höhern, den politischen Verhältnissen des Krieges hat.
Die allgemeinen Verhältnisse, aus denen ein Krieg hervorgeht und die natürlich seine Grundlage ausmachen, bestimmen auch seinen Charakter; wir werden davon in der Folge beim Kriegsplan mehr zu sagen haben. Diese allgemeinen Verhältnisse aber haben die meisten Kriege zu einem Halbdinge [371] gemacht, wo die eigentliche Feindschaft sich durch einen solchen Konflikt von Beziehungen winden mußte, daß sie nur ein sehr schwaches Element blieb. Dies muß sich natürlich beim Angriff, auf dessen
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