Vom Kriege
auch der Kampf einer solchen Streitkraft eine mannigfache Gliederung, Unterordnung und Zusammensetzung bekommen muß. Da können und müssen natürlich für die einzelnen Glieder eine Menge von Zwecken vorkommen, die nicht selbst Vernichtung feindlicher Streitkraft sind und dieselbe zwar in einem gesteigerten Maße, aber nur mittelbar bewirken. Wenn ein Bataillon den Auftrag erhält, den Feind von einem Berge, einer Brücke usw. zu vertreiben, so ist in der Regel der Besitz dieser Gegenstände der eigentliche Zweck, die Vernichtung der feindlichen Kräfte daselbst bloßes Mittel oder Nebensache. Kann der Feind durch eine bloße Demonstration vertrieben werden, so ist der Zweck auch erreicht; aber dieser Berg, diese Brücke werden in der Regel nur genommen, um damit eine gesteigerte Vernichtung der feindlichen Streitkraft zu [61] bewirken. Ist es schon so auf dem Schlachtfelde, so wird es noch viel mehr so sein auf dem ganzen Kriegstheater, wo nicht bloß ein Heer dem andern, sondern ein Staat, ein Volk, ein Land dem andern gegenübersteht. Hier muß die Zahl möglicher Beziehungen und folglich der Kombinationen sehr vermehrt, die Mannigfaltigkeit der Anordnungen vergrößert, und durch die sich unterordnende Abstufung der Zwecke das erste Mittel von dem letzten Zwecke weiter entfernt werden.
Es ist also aus vielen Gründen möglich, daß der Zweck eines Gefechts nicht die Vernichtung der feindlichen Streitkraft, nämlich der uns gegenüberstehenden ist, sondern daß diese bloß als Mittel erscheint. In allen diesen Fällen aber kommt es auch auf die Vollziehung dieser Vernichtung nicht mehr an, denn das Gefecht ist hier nichts als ein Abmesser der Kräfte, hat an sich keinen Wert, sondern nur den des Resultates, d. h. seiner Entscheidung.
Ein Abmessen der Kräfte kann aber in Fällen, wo sie sehr ungleich sind, schon durch das bloße Abschätzen erhalten werden. In solchen Fällen wird auch das Gefecht nicht stattfinden, sondern der Schwächere gleich nachgeben.
Ist der Zweck der Gefechte nicht immer die Vernichtung der in denselben begriffenen Streitkräfte, und kann ihr Zweck oft sogar erreicht werden, ohne daß das Gefecht wirklich stattfindet, durch seine bloße Feststellung und die daraus hervorgehenden Verhältnisse: so wird es erklärlich, wie ganze Feldzüge mit großer Tätigkeit geführt werden können, ohne daß das faktische Gefecht darin eine namhafte Rolle spielt.
Daß dem so sein kann, beweist die Kriegsgeschichte in hundert Beispielen. Wie viele von diesen Fällen die unblutige Entscheidung mit Recht gehabt haben, d.h. ohne inneren Widerspruch, und ob einige daher entspringende Berühmtheiten die Kritik aushalten würden: das wollen wir dahingestellt sein lassen, denn es ist uns nur darum zu tun, die Möglichkeit eines solchen kriegerischen Verlaufes zu zeigen.
Wir haben nur ein Mittel im Kriege, das Gefecht, was aber bei der Mannigfaltigkeit seiner Anwendung uns in alle die verschiedenen Wege hineinführt, welche die Mannigfaltigkeit der Zwecke zuläßt, so daß wir nichts gewonnen zu haben scheinen; so ist es aber nicht, denn von dieser Einheit des Mittels geht ein Faden aus, der sich für die Betrachtung durch das ganze Gewebe kriegerischer Tätigkeit fortschlingt und es zusammenhält.
Wir haben aber die Vernichtung der feindlichen Streitkraft als einen der Zwecke betrachtet, die man im Kriege verfolgen kann, und es dahingestellt sein lassen, welche Wichtigkeit ihm unter den übrigen Zwecken gegeben werden solle. Im einzelnen Falle wird es von den Umständen abhängen, und für das Allgemeine haben wir seinen Wert unbestimmt gelassen; jetzt werden wir noch einmal darauf zurückgeführt, und wir werden einsehen lernen, welcher Wert ihm notwendig zugestanden werden muß.
Das Gefecht ist die einzige Wirksamkeit im Kriege; im Gefecht ist die Vernichtung der uns gegenüberstehenden Streitkraft das Mittel zum Zweck, [62] ist es selbst da, wo das Gefecht nicht faktisch eintritt, weil jedenfalls der Entscheidung die Voraussetzung zugrunde liegt, daß diese Vernichtung als unzweifelhaft zu betrachten sei. Sonach ist also die Vernichtung der feindlichen Streitkraft die Grundlage aller kriegerischen Handlungen, der letzte Stützpunkt aller Kombinationen, die darauf wie der Bogen auf seinen Widerlagen ruhen. Es geschieht also alles Handeln unter der Voraussetzung, daß, wenn die dabei zugrunde liegende Entscheidung der Waffen wirklich eintreten sollte, sie eine günstige sei. Die Waffenentscheidung ist
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