Vom Kriege
usw. So wie die ersten Versuche des Landsturms gering sein werden, so werden auch diese entsendeten Haufen schwach sein, weil man die große Zersplitterung der Kräfte fürchtet; an diesen schwachen Haufen pflegt sich dann das Feuer des Volkskriegs erst recht zu entzünden, man wird ihrer an einigen Orten durch die Menge Meister, es wächst der Mut und die Lust, und die Intensität dieses Kampfes nimmt zu, bis sich der Kulminationspunkt nähert, der über den Ausgang entscheiden soll.
Nach unserer Vorstellung vom Volkskriege muß er, wie ein nebel- und wolkenartiges Wesen, sich nirgends zu einen widerstehenden Körper konkreszieren, sonst richtet der Feind eine angemessene Kraft auf diesen Kern, zerstört ihn und macht eine große Menge Gefangene; dann sinkt der Mut, alles glaubt, die Hauptfrage sei entschieden, ein weiteres Bemühen vergeblich, und die Waffen fallen dem Volke aus den Händen. Von der andern Seite aber ist es dennoch nötig, daß sich dieser Nebel an gewissen Punkten zu dichteren Massen zusammenziehe und drohende Wolken bilde, aus denen einmal ein kräftiger Blitzstrahl herausfahren kann. Diese Punkte sind hauptsächlich auf den Flügeln des feindlichen Kriegstheaters, wie wir schon gesagt haben. Da muß sich die Volksbewaffnung in größere und mehr geordnete Ganze vereinigen, mit einem geringen Zusatz stehender Truppen, so daß sie schon das Ansehen eines geordneten Heeres gewinnt und imstande ist, sich an größere Unternehmungen zu wagen. Von diesen Punkten aus muß die Intensität des Landsturmes abnehmen nach dem Rücken des Feindes hin, wo er seinen stärksten Schlägen ausgesetzt ist. Jene dichtern Massen sind bestimmt, über die beträchtlicheren Garnisonen herzufallen, welche der Feind zurückschickt, außerdem flößen sie Furcht und Besorgnis ein, vermehren den moralischen Eindruck des Ganzen; ohne sie würde die Totalwirkung nicht kräftig und der ganze Zustand für den Feind nicht beunruhigend genug werden.
Diese willkürliche Gestaltung der ganzen Volksbewaffnung bringt der Feldherr am leichtesten durch die kleinen Haufen des stehenden Heeres [477] hervor, womit er den Landsturm unterstützt. Ohne eine solche zur Ermunterung dienende Unterstützung durch etwas Truppen des stehenden Heeres wird es beim Einwohner meistens an Vertrauen und an Trieb fehlen, zu den Waffen zu greifen. Je stärker nun die Haufen sind, die dazu bestimmt werden, um so stärker wird die Anziehungskraft, um so größer die Lawine, die sich herabstürzen soll. Aber dies hat seine Grenze; denn teils wäre es verderblich, für diesen untergeordneten Zweck das ganze Heer zu verteilen, im Landsturm gewissermaßen aufzulösen, und damit eine ausgedehnte, überall schwache Verteidigungslinie zu bilden, wobei man gewiß sein könnte, daß Heer und Landsturm gleich gründlich zerstört werden würden; teils scheint auch die Erfahrung zu lehren, daß, wenn allzuviel regelmäßige Truppen in der Provinz anwesend sind, der Volkskrieg an Energie und Wirksamkeit abzunehmen pflegt; die Ursache ist, weil erstens dadurch zu viel feindliche Truppen in die Provinz gezogen werden, zweitens die Einwohner sich nun auf die eigenen stehenden Truppen verlassen wollen, drittens das Dasein beträchtlicher Truppenmassen die Kräfte der Einwohner auf eine andere Art zu sehr in Anspruch nimmt, nämlich durch Bequartierung, Fuhren, Lieferungen usw.
Ein anderes Mittel zur Verhütung einer zu wirksamen Reaktion des Feindes gegen den Volkskrieg bildet zugleich einen Hauptgrundsatz in dem Gebrauch desselben; es ist der Grundsatz: bei diesem großen strategischen Verteidigungsmittel es selten oder niemals zur taktischen Verteidigung kommen zu lassen. Der Charakter eines Landsturmgefechtes ist der aller Gefechte mit schlechtern Truppenmassen: eine große Gewalt und Hitze im Anlauf, aber wenig kaltes Blut und wenig Nachhalt in der Dauer. Ferner ist wenig daran gelegen, ob eine Landsturmmasse besiegt und vertrieben wird, denn darauf ist sie gestellt, aber sie darf nicht zugrunde gerichtet werden durch eine Unzahl von Toten, Verwundeten und Gefangenen; dergleichen Niederlagen würden die Glut bald erdrücken. Diese beiden Eigentümlichkeiten sind aber der Natur der taktischen Verteidigung durchaus entgegen. Das Verteidigungsgefecht erfordert ein nachhaltiges, langsames, planvolles Wirken und entschiedenes Wagen; ein bloßer Versuch, von dem man ablassen kann, so schnell man will, kann in der Verteidigung niemals zum Erfolg führen. Soll also der
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