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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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und gewissermaßen identisch damit sein. Es frägt sich nun: was kann den Verteidiger zuerst bewegen, von dieser einfachsten Form des kriegerischen Aktes abzuweichen und seine Macht im Raum zu verteilen? Die Antwort ist, die Unzulänglichkeit des Sieges, den er mit vereinter Macht erringen könnte. Jeder Sieg hat seinen Wirkungskreis. Reicht dieser über den [481] ganzen feindlichen Staat, also über seine ganze Streitkraft und Länderfläche hin, d. h. werden alle Teile in dieselbe Bewegung mit fortgerissen, welche wir dem Kern seiner Macht gegeben haben, so ist ein solcher Sieg alles, was wir brauchen, und eine Teilung unserer Macht würde ohne zureichenden Grund sein. Gibt es aber Teile der feindlichen Kriegsmacht und der gegenseitigen Länder, über die unser Sieg keine Gewalt mehr haben würde, so müssen wir auf diese Teile besonders Rücksicht nehmen, und da wir die Länderfläche nicht wie die Kriegsmacht in einem Punkt sammeln können, so müssen wir diese zur Verteidigung jener teilen.
    Nur bei kleinen und abgerundeten Staaten ist eine solche Einheit der Kriegsmacht möglich und wahrscheinlich, daß von dem Sieg über diese alles abhängt. Bei großen Ländermassen, die uns in großer Ausdehnung berühren, oder gar bei einem Bündnis solcher Staaten gegen uns, die uns von mehreren Seiten umgeben, ist eine solche Einheit praktisch ganz unmöglich. Hier also werden notwendig Teilungen der Macht entstehen und damit verschiedene Kriegstheater.
    Der Wirkungskreis eines Sieges wird natürlich abhängen von der Größe des Sieges und diese von der Masse der besiegten Truppen. Also gegen den Teil, wo die meisten feindlichen Streitkräfte beisammen sind, wird derjenige Stoß geschehen können, dessen glückliche Wirkungen am weitesten reichen; und wir werden dieses Erfolges am meisten gewiß sein, je größer die Masse der eigenen Streitkräfte ist, die wir zu diesem Stoß verwenden. Diese natürliche Vorstellungsreihe führt uns auf ein Bild, in welchem wir sie klarer feststellen können, es ist die Natur und Wirkung des Schwerpunktes in der Mechanik.
    So wie sich der Schwerpunkt immer da findet, wo die meiste Masse beisammen ist, und wie jeder Stoß gegen den Schwerpunkt der Last am wirksamsten ist, wie ferner der stärkste Stoß mit dem Schwerpunkt der Kraft erhalten wird, so ist es auch im Kriege. Die Streitkräfte jedes Kriegführenden, sei es ein einzelner Staat oder ein Bündnis von Staaten, haben eine gewisse Einheit und durch diese Zusammenhang; wo aber Zusammenhang ist, da treten die Analogien des Schwerpunktes ein. Es gibt also in diesen Streitkräften gewisse Schwerpunkte, deren Bewegung und Richtung über die andern Punkte entscheidet, und diese Schwerpunkte finden sich da, wo die meisten Streitkräfte beisammen sind. So wie aber in der toten Körperwelt die Wirkung gegen den Schwerpunkt in dem Zusammenhang der Teile ihr Maß und ihre Grenze hat, so ist es auch im Kriege, und es kann hier wie dort ein Stoß leicht größer werden, als der Widerstand verträgt, und damit ein Luftstoß, eine Kraftverschwendung entstehen.
    Wie verschieden ist der Zusammenhang des Heeres einer Fahne, welches durch den persönlichen Befehl eines Feldherrn in die Schlacht geführt wird, und der einer verbündeten Kriegsmacht, die auf 50 oder 100 Meilen ausgedehnt oder gar nach ganz verschiedenen Seiten hin basiert ist! Dort ist [482] der Zusammenhang als der stärkste, die Einheit als die nächste zu betrachten; hier ist die Einheit sehr entfernt, oft nur noch in der gemeinschaftlichen politischen Absicht, und da auch nur dürftig und unvollkommen vorhanden und der Zusammenhang der Teile meistens sehr schwach, oft ganz illusorisch.
    Gebietet also von der einen Seite die Gewalt, welche wir dem Stoß zu geben wünschen, die größte Vereinigung der Macht, so müssen wir von der andern jede Übertreibung als einen wirklichen Nachteil fürchten, weil sie eine Kraftverschwendung mit sich führt und diese wieder den Mangel an Kraft auf andern Punkten.
    Diese Centra gravitatis in der feindlichen Kriegsmacht zu unterscheiden, ihre Wirkungskreise zu erkennen, ist also ein Hauptakt des strategischen Urteils. Man wird sich nämlich jedesmal fragen müssen, welche Wirkungen das Vorgehen und Zurückgehen des einen Teils der gegenseitigen Streitkräfte auf die übrigen hervorbringen wird.
    Wir glauben hiermit keineswegs ein neues Verfahren erfunden zu haben, sondern wir haben nur dem Verfahren aller Zeiten und Feldherren Vorstellungen

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