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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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Landsturm die Verteidigung irgendeines Bodenabschnittes übernehmen, so muß es niemals zu einem entscheidenden Hauptverteidigungsgefecht kommen; er wird dann zugrunde gehen, wenn ihm die Umstände auch noch so günstig sind. Er kann und soll also die Eingänge eines Gebirges, die Dämme eines Sumpfes, die Übergänge eines Flusses verteidigen, solange es ihm möglich ist, aber er soll, wenn sie einmal durchbrochen sind, sich lieber zerstreuen und mit unvermuteten Anfällen seine Verteidigung fortsetzen, als sich in ein enges, letztes Refugium, in eine förmliche Defensivstellung zusammenziehen und einsperren lassen. - Wie tapfer auch ein Volk sei, wie kriegerisch seine Sitten, [478] wie groß sein Haß gegen den Feind, wie günstig sein Boden: es ist unleugbar, daß der Volkskrieg sich in einer zu dichten Atmosphäre der Gefahr nicht erhalten kann. Soll sich also sein Brennstoff irgendwo zu einer bedeutenden Glut anhäufen, so muß es auf entfernteren Punkten geschehen, wo er Luft hat und nicht mit einem großen Schlage erdrückt werden kann.
    Nach diesen Betrachtungen, die mehr ein Herausfühlen der Wahrheit sind als eine objektive Zergliederung, weil der Gegenstand überhaupt noch zu wenig dagewesen und von denen, die ihn lange mit eigenen Augen beobachtet haben, zu wenig dargestellt worden ist, haben wir nur noch zu sagen, daß der strategische Verteidigungsplan die Mitwirkung der Volksbewaffnung auf zwei verschiedenen Wegen in sich aufnehmen kann, nämlich: entweder als ein letztes Hilfsmittel nach verlorener Schlacht, oder als ein natürlicher Beistand, ehe eine entscheidende Schlacht geliefert wird. Das letztere setzt den Rückzug ins Innere des Landes und diejenige mittelbare Reaktionsart voraus, wovon wir im achten und vierundzwanzigsten Kapitel dieses Buches gesprochen haben. Wir haben also hier nur noch ein paar Worte über das Aufgebot des Landsturms nach verlorener Schlacht zu sagen.
    Kein Staat sollte sein Schicksal, nämlich sein ganzes Dasein, von einer Schlacht, sei sie auch die entscheidendste, abhängig glauben. Ist er geschlagen, so kann das Aufbieten neuer eigener Kräfte und die natürliche Schwächung, welche jeder Angriff in der Dauer erleidet, einen Umschwung der Dinge herbeiführen, oder er kann von außen her Hilfe bekommen. Zum Sterben ist es immer noch Zeit, und wie es ein Naturtrieb ist, daß der Untergehende nach dem Strohhalm greift, so ist es in der natürlichen Ordnung der moralischen Welt, daß ein Volk die letzten Mittel seiner Rettung versucht, wenn es sich an den Rand des Abgrundes geschleudert sieht.
    Wie klein und schwach ein Staat in Beziehung auf seinen Feind auch sei, er soll sich diese letzten Kraftanstrengungen nicht ersparen, oder man müßte sagen, es ist keine Seele mehr in ihm. Dies schließt nicht die Möglichkeit aus, sich durch einen opfervollen Frieden von dem gänzlichen Untergange zu retten, eine solche Absicht schließt aber auch ihrerseits nicht die Nützlichkeit neuer Verteidigungsmaßregeln aus; sie machen den Frieden weder schwieriger noch schlechter, sondern leichter und besser. Noch notwendiger sind sie, wenn Hilfe von denen erwartet wird, die bei unserer Erhaltung interessiert sind. Eine Regierung also, die nach verlorener Hauptschlacht nur daran denkt, das Volk schnell in das Bette des Friedens steigen zu lassen, und übermannt von dem Gefühl einer großen fehlgeschlagenen Hoffnung, nicht mehr den Mut und die Lust in sich fühlt, alle Kräfte anzuspornen, begeht in jedem Fall aus Schwäche eine große Inkonsequenz, und zeigt, daß sie des Sieges nicht würdig und eben deswegen vielleicht auch gar nicht fähig war.
    Wie entschieden also auch die Niederlage sei, die ein Staat erfahren, so muß doch mit dem Rückzug des Heeres in das Innere des Landes die [479] Wirksamkeit der Festungen und der Volksbewaffnungen hervorgerufen werden. Es ist in dieser Beziehung vorteilhaft, wenn die Flügel des Hauptkriegstheaters durch Gebirge oder sonst sehr schwierige Gegend begrenzt werden, die nun wie Bastione hervortreten, deren strategisches Flankenfeuer der Vordringende auszuhalten hat.
    Ist der Sieger mitten in seinen Belagerungsarbeiten, hat er überall starke Garnisonen zurückgelassen, um seine Verbindungslinie zu bilden, oder gar Korps entsendet, um sich die Ellenbogen frei zu machen und die benachbarten Provinzen in Ordnung zu halten, ist er schon durch mannigfaltige Verluste lebender und toter Streitmittel geschwächt, dann ist der Zeitpunkt, wo die

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