Vom Kriege
wenn sie fehlschlug, ein Mißbehagen des Verstandes, und weiter soll das Urteil von Recht und Unrecht auch nicht bedeuten, was wir aus dem bloßen Erfolg entnehmen, oder vielmehr, was wir in ihm finden.
[140] Aber es ist nicht zu verkennen, daß das Wohlgefallen, welches unser Verstand am Zutreffen, das Mißfallen, was er am Verfehlen hat, doch auf dem dunkeln Gefühle beruht, daß zwischen diesem, dem Glück zugeschriebenen Erfolg und dem Genius des Handelnden ein feiner, dem Auge des Geistes unsichtbarer Zusammenhang bestehe, der uns in der Voraussetzung Vergnügen macht. Was diese Ansicht beweist, ist, daß unser Anteil steigt, zu einem bestimmteren Gefühle wird, wenn das Treffen und Verfehlen sich bei demselben Handelnden oft wiederholt. So wird es begreiflich, wie das Glück im Kriege eine viel edlere Natur annimmt als das Glück im Spiel. Überall wo ein glücklicher Krieger unsere Interessen nicht anderweitig verletzt, werden wir ihn mit Vergnügen auf seiner Bahn begleiten.
Die Kritik wird also, nachdem sie alles, was in das Gebiet menschlicher Berechnung und Überzeugung gehört, abgewogen hat, für den Teil, wo der tiefe geheime Zusammenhang der Dinge sich nicht an sichtbaren Erscheinungen verkörpert, den Ausgang sprechen lassen, und diesen leisen Spruch einer höheren Gesetzgebung auf der einen Seite vor dem Tumult roher Meinungen schützen, indem sie zugleich von der andern Seite die plumpen Mißbräuche zurückweist, die von dieser höchsten Instanz gemacht werden können.
Dieser Ausspruch des Erfolges muß also überall erzeugen, was die menschliche Klugheit nicht ermitteln kann, und so werden es denn die geistigen Kräfte und Wirkungen hauptsächlich sein, für die er in Anspruch genommen wird, teils weil sie sich am wenigsten mit Zuverlässigkeit beurteilen lassen, teils weil sie dem Willen selbst so nahe liegen, daß sie ihn um so leichter bestimmen. Wo Furcht oder Mut den Entschluß fortreißen, da gibt es zwischen ihnen nichts Objektives mehr abzumachen, und folglich nichts, wo Klugheit und Berechnung dem wahrscheinlichen Erfolge noch einmal begegnen könnte.
Jetzt müssen wir uns noch einige Betrachtungen über das Instrument der Kritik erlauben, nämlich über die Sprache, deren sie sich bedient, weil diese dem Handeln im Kriege gewissermaßen zur Seite bleibt; denn die prüfende Kritik ist ja nichts als die Überlegung, welche dem Handeln vorhergehen soll. Wir halten es darum für etwas höchst Wesentliches, daß die Sprache der Kritik denselben Charakter habe, den das Überlegen im Kriege haben muß, sonst würde sie aufhören, praktisch zu sein, und der Kritik keinen Eingang in das Leben verschaffen.
Wir haben in unserer Betrachtung über die Theorie der Kriegführung gesagt, daß sie den Geist der Führer im Kriege erziehen oder vielmehr bei seiner Erziehung leiten soll, daß sie nicht bestimmt ist, ihn mit positiven Lehren und Systemen auszurüsten, die er wie Instrumente des Geistes gebrauchen könnte. Ist aber im Kriege zur Beurteilung eines vorliegenden Falles niemals die Konstruktion wissenschaftlicher Hilfslinien notwendig [141] oder auch nur zulässig, tritt die Wahrheit da nicht in systematischer Gestalt auf, wird sie nicht mittelbar, sondern unmittelbar durch den natürlichen Blick des Geistes gefunden: so muß es auch in der kritischen Betrachtung also sein.
Zwar haben wir gesehen, daß sie überall, wo es zu weitläuftig sein würde, die Natur der Dinge festzustellen, sich auf die in der Theorie davon ausgemachten Wahrheiten stützen muß. Allein so wie im Kriege der Handelnde diesen theoretischen Wahrheiten mehr gehorcht, indem er ihren Geist in den seinigen aufgenommen hat, als indem er sie wie ein äußeres steifes Gesetz betrachtet: so soll auch die Kritik sich ihrer nicht wie eines fremden Gesetzes oder einer algebraischen Formel bedienen, deren neue Wahrheit für die Anwendung gar nicht aufgeschlossen zu werden braucht, sondern sie soll diese Wahrheit selbst immer durchleuchten lassen, indem sie nur die genaueren und umständlicheren Beweise der Theorie überläßt. So vermeidet sie eine geheimnisvolle dunkle Sprache und bewegt sich in einfacher Rede, in einer lichten, d. i. immer sichtbaren Vorstellungsreihe fort.
Freilich wird dies nicht immer vollkommen zu erreichen, aber es muß das Streben der kritischen Darstellung sein. Sie muß zusammengesetzte Formen der Erkenntnis sowenig als möglich brauchen und nie sich der Konstruktion wissenschaftlicher Hilfslinien wie
Weitere Kostenlose Bücher