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Vom Mondlicht berührt

Titel: Vom Mondlicht berührt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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Jeanne stand über eine der schiefergrauen Granitarbeitsflächen gebeugt. Eigentlich als Köchin und Haushälterin angestellt, erfüllte sie doch mehr die Rolle der Mutter des Hauses. Sie war in die Fußstapfen ihrer Mutter und Großmutter getreten, die ebenfalls über Jahrzehnte hinweg für die Revenants in diesem Haus gesorgt hatten. Während sie gerade die letzte Verzierung auf eine Schokotorte setzte, bebten ihre Schultern leicht. Ich legte ihr eine Hand auf den Arm, woraufhin sie sich mir zuwandte. In ihren Augen schimmerten Tränen, die sie erfolglos wegzublinzeln versuchte.
    »Stimmt irgendwas nicht, Jeanne?«, flüsterte ich, obwohl ich ganz genau wusste, was los war.
    »Charlotte und Charles sind wie meine eigenen Kinder.« Ihre Stimme brach.
    »Ich weiß«, murmelte ich, legte ihr einen Arm um die üppige Taille und meinen Kopf an ihre Schulter. »Aber sie ziehen ja nicht für immer weg. Jean-Baptiste hat doch gesagt, dass sie zurückkommen können, sobald Charles wieder einen klaren Kopf hat. Wie lang kann das schon dauern?«
    Nun richtete Jeanne sich auf und wir sahen uns schweigend an. Offensichtlich dachten wir dasselbe. Sehr lange, wenn es überhaupt je geschieht. Der Junge hatte ernsthafte Probleme.
    Meine Gefühle Charles gegenüber waren gemischt. Er hatte sich mir gegenüber eher immer feindlich verhalten, aber seit Charlotte mir den Grund dafür erklärt hatte, tat er mir aufrichtig leid.
    Als hätte sie meine Gedanken gelesen, verteidigte Jeanne ihn. »Es war ja nicht seine Schuld. Er wollte niemanden gefährden.«
    »Ich weiß.«
    »Er ist einfach sensibler als die anderen«, sagte sie, bevor sie sich wieder der Torte widmete, um eine Zuckerblume darauf zu platzieren. »Das liegt an ihrer Bestimmung. Dass sie wieder und wieder für uns Menschen sterben und uns dann doch unserem Schicksal überlassen müssen, fordert eben seinen Tribut. Und Charles ist schließlich erst fünfzehn!«
    Ich lächelte traurig. »Jeanne, er ist achtzig.«
    »Peu importe«, sagte sie und machte mit der Hand eine Bewegung, als würde sie sich einen Ball über die Schulter werfen. »Ich glaube, die Revenants, die jung sterben, haben es schwerer. Meine Großmutter hat mir mal erzählt, dass ein Angehöriger der spanischen Anverwandten das Gleiche getan hat. Er war auch nicht älter als fünfzehn geworden. Er bat die Numa, ihn auszulöschen, genau wie Charles es getan hat. Mit dem Unterschied allerdings, dass es dem armen Kerl damals geglückt ist.«
    Jeanne bemerkte, wie ich erschauderte, als sie den Namen aussprach. Numa, die Erzfeinde aller Revenants. Und obwohl sich niemand außer uns in der Küche befand, senkte sie die Stimme: »Wobei das immer noch besser ist als das andere Extrem. Manche – aber nur wenige – stumpfen trotz ihrer wichtigen Aufgabe im Leben der Menschen so sehr ab, dass sie nur noch retten, um zu überleben. Ihnen sind die Menschen, die sie retten, egal, sie dienen ihnen nur dazu, ihren Drang zum Sterben zu befriedigen. Da ist es mir doch lieber, Charles ist extrem sensibel, anstatt so wahnsinnig kaltherzig zu sein.«
    »Deshalb wird es ihm auch guttun, erst mal von hier fortzukommen«, versicherte ich ihr, »und ein bisschen Abstand zwischen sich, Paris und die Menschen zu bringen, die er gerettet hat.« Oder nicht retten konnte , fügte ich gedanklich hinzu, weil mir plötzlich das tödliche Bootsunglück wieder vor Augen stand, das Charles so richtig runtergerissen hatte. Nachdem er das Mädchen, das ins Wasser gefallen war, nicht hatte retten können, war er sehr sonderbar geworden. Schlussendlich wollte er sein Revenantdasein beenden und ermöglichte so unbeabsichtigt einen Angriff auf seine Anverwandten. »Jean-Baptiste hat ihnen ausdrücklich erlaubt, zu Besuch zu kommen. Ich bin mir sicher, dass wir sie ganz bald Wiedersehen werden.«
    Jeanne nickte, doch sie schien meine Worte nur zögerlich zu akzeptieren.
    »Die Torte sieht toll aus«, sagte ich, um das Thema zu wechseln. Ich kratzte mit dem Finger ein bisschen Glasur vom Servierteller und steckte ihn in meinen Mund. »Hmm ... und lecker ist die!«
    Jeanne verscheuchte mich mit ihrem Spachtel, ganz dankbar, dass sie nun ihre Rolle als Glucke wieder einnehmen konnte. »Und du machst mir alles kaputt, wenn du die Glasur abpulst«, lachte sie. »Los, geh zu Charlotte und frag, ob du ihr helfen kannst.«
    »Das ist doch hier keine Beerdigung, Leute. Wir feiern Silvester und den Abschied von den Zwillingen. Let’s celebrate!« Ambroses

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