Vom Nehmen Und Genommenwerden
der Prostata, die Eichel in der Klitoris, das männliche im weiblichen Ejakulat.
Und schlieÃlich beschrieben Alan und Donna Brauer 1992 in ihrem Buch »Der erweiterte sexuelle Orgasmus« eine Methode, wie Mann und Frau Orgasmen bis zu 30 Minuten ausdehnen können.
Dass beim Sex offenbar keine Lustsynchronisation von Mann und Frau vorgesehen ist, hat vermutlich mit dem ursprünglichen »Hauptziel der Fortpflanzung« zu tun. Würde eine Frau sehr schnell zum Orgasmus kommen, bestünde die Gefahr, dass der Mann gar nicht bis zur Ejakulation käme. Oder umgekehrt, würde der Mann seine Ejakulation sehr lange oder immer zurückhalten können, so würde die Frau zwar befriedigt, aber der männliche Samen würde mit groÃer Wahrscheinlichkeit seinen Bestimmungsort nicht erreichen.
Nach der »Theorie des häuslichen Glücks« des Zoologen John Alcock stellt der Orgasmus einen Gradmesser der Beziehungsqualität dar. Ein Mann, der die Frau zum Orgasmus bringt, ist so einfühlsam, leistungswillig und geduldig, dass er wahrscheinlich auch ein guter Vater ist.
Die »Jackpot-Theorie« des Londoner Psychologen Glenn Wilson geht davon aus, dass der weibliche Orgasmus unzuverlässig ist. Deshalb seien Frauen zu wiederholten Versuchen motiviert. Wogegen die »Attraktivitätstheorie« des Biologen Randy Thornhill nachweisen will, dass Frauen gehäuft Orgasmen mit Männern haben, die Symmetrien in Gesicht und Körper aufweisen. Dies soll auf gutes Genmaterial schlieÃen lassen.
Die »Theorie der Unersättlichkeit« der Primatenforscherin Sarah Blaffer Hrdy stellt den Ãberlebenstrieb in den Vordergrund. Promiske Weibchen verwischen das Wissen um die Vaterschaft und sichern so das Ãberleben der Nachkommenschaft. Hrdy vermutet, dass Menschenfrauen der Frühzeit ebenso bindungslose, begehrliche »Diplomatinnen« waren wie ihre Primaten-Verwandten.
Nach der »Upsuck-Theorie« von Robin Baker und Mark Bellis bewirkt der Orgasmus bei der Frau Kontraktionen, die den Abfluss des Samens verhindern. Damit hätte die Frau die Entscheidung über eine Empfängnis.
Die Evolutionsbiologen Donald Symons und Stephen J. Gould erklären den weiblichen Orgasmus auf eine ganz spezielle Art. Diese beiden definieren die Klitoris als ein »Nebenprodukt« des Penis, vergleichbar den männlichen Brustwarzen. Demnach kann die Frau ihre Orgasmen intensivieren, wenn sie im Liebesakt aktiver und aggressiver ist. Dadurch erhöht sich der Testosteronspiegel und verbunden damit die Empfindsamkeit der Klitoris und die Tiefe des Orgasmus.
Unsere Erfahrung als Paar- und Körpertherapeuten und unsere Arbeit mit Frauen in Seminaren und Einzelberatungen belegen: Es gibt unzählige Arten von Orgasmen, so wie es unendlich viele Sterne am Himmel gibt. Es gibt Orgasmen, die mit einer Ejakulation verbunden sind, und es gibt Orgasmen, die vom Muttermund her ausgelöst werden. Die meisten Frauen erleben ihren Höhepunkt jedoch am intensivsten durch die Stimulation der Klitoris. Sie beschreiben dies als lustvolles, pulsierendes Gefühl im äuÃeren Genital, vergleichbar mit der quirligen Energie eines Delfins. Je höher die Erregung ist und je tiefer sich die Frau dabei entspannen und hingeben kann, desto umfassender und intensiver nimmt sie ihre Orgasmen wahr. Sie erlebt den Orgasmus dann nicht mehr nur im Bereich des äuÃeren Genitals, sondern sie spürt, wie er sie in ihrer ganzen Tiefe erfasst: hinein in die Vagina, über die ganze Vulva bis hin zum Uterus, hinein in jede Zelle und Pore ihres Körpers, ja sogar bis in die tiefsten Schichten ihres Seins als »ganzheitlicher« Orgasmus, am besten vergleichbar mit der machtvollen Energie eines Wals.
Bezeichnenderweise hat der männliche Orgasmus über die Jahrhunderte einen Dornröschenschlaf gehalten und wurde kaum zum Gegenstand von Forschung und Theorie gemacht. Orgasmus und Ejakulation wurden als ein einziges Phänomen angesehen, und so stand die Zeugungsfähigkeit im Vordergrund. Alle Fragen drehten sich um das Thema Potenz: um eine erektile, ejakulative und um die â am wenigsten bekannte â orgasmische Potenz. In der Arbeit mit Männern in unseren Seminaren und Einzelberatungen erfahren wir immer wieder, dass die orgasmische Potenz von den meisten Männern stiefmütterlich behandelt wird. Der Höhepunkt wird oft unter Stress und Aggression eher
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