Vom Nehmen Und Genommenwerden
der Scheide wahr, während ihr Partner vor allem die lustvollen Kontraktionen ihres Beckenbodens spürt. Im Unterschied zum Mann ist die sinnliche Empfindungsskala der Frau meist weiter, die Dauer des Orgasmus länger, und sie weist eine gröÃere Bandbreite auf.
Wichtig für die Intensität beim Erleben des Orgasmus für Mann und Frau ist eine gut trainierte Beckenbodenmuskulatur. Diese bestimmt die Tiefe und Intensität des Orgasmus.
Interessant ist vielleicht auch eine neuere Studie, die nachweist, dass beim Orgasmus durch Geschlechtsverkehr viermal mehr Prolactin ausgeschüttet wird als beim Orgasmus durch Masturbation. Das erklärt, warum ein »zweisamer« Orgasmus in der Regel als befriedigender erlebt wird als ein einsamer. Nach dem Orgasmus schnellt der Prolactin-Spiegel nach oben und senkt die Libido. Dieses Hormon sorgt also für Entspannung und verhindert somit eine neue Erregungsphase. Erst wenn es vollständig abgebaut ist, kommt es wieder zu neuer Erregung. Prolactin ist ein hochwirksames Anti-Stressmittel, und sein Vorkommen im Blut ist der einzige physiologische Nachweis dafür, dass ein Orgasmus stattgefunden hat.
In der Refraktär- oder Rückbildungsphase flieÃt das in den Organen gestaute Blut ab, die Schwellung geht zurück, und die Sexualorgane kehren in ihren ursprünglichen Zustand zurück. Diese Rückbildungsphase dauert dann am längsten, wenn es zu keinem Orgasmus gekommen ist. Subjektiv ist diese Phase entweder von einem tiefen Bedürfnis nach Nähe geprägt oder vom Bedürfnis nach Abstand und Schlaf. Ausgelöst wird dies durch die besagte Prolactinausschüttung, die unter anderem auch das erneute Erigieren des Penis verhindert.
Der Orgasmus als Rätsel der Wissenschaft
Während der Orgasmus des Mannes im Zusammenhang mit der Ejakulation wissenschaftlich gesehen ganz eindeutig dem Zweck der Fortpflanzung dient und scheinbar keine Rätsel aufgibt, wurde der Orgasmus der Frau zum Forschungsobjekt. Welchen Zweck sollte er haben, wenn wir davon absehen, dass er sie glücklicher und zufriedener macht? Diese Frage hat Forscher zu verschiedenen, zum Teil sehr abenteuerlichen Orgasmustheorien verleitet, die wir hier in einem kleinen Ãberblick vorstellen wollen. Sie mögen zum Nachdenken anregen oder zum Schmunzeln verführen.
Lange vor der sexuellen Revolution der 60er-Jahre war Sigmund Freud (1920) der erste Wissenschaftler, der öffentlich über weibliche Sexualität sprach. Allerdings wertete er den weiblichen klitoralen Orgasmus als unreif ab. Nur der vaginale war ein reifer Orgasmus, sozusagen das Gegenstück zum männlichen.
Der Freud-Schüler Wilhelm Reich (1940) differenzierte zwischen dem »neurotischen Charakter« und dem »genitalen Charakter«. Letzterer hat alle bürgerlichen moralischen Einschränkungen hinter sich gelassen und ist zu einer »sexualökonomischen Selbststeuerung« gelangt, die ihm sogar einen Ganzkörperorgasmus durch totale Hingabe an das Strömen beim Orgasmus bescheren kann.
In den 50er-Jahren entdeckte »Dr. Sex« Alfred Kinsey durch empirische Befragungen, dass mehr als die Hälfte der Frauen ihren Orgasmus durch Stimulation der Klitoris erlangt. Bei den Männern entdeckte er, dass Orgasmus und Ejakulation zwei getrennte Phänomene sind.
Zur gleichen Zeit erforschten William Masters und Virginia Johnson die sexuellen Reaktionen von Mann und Frau und fanden ebenfalls heraus, dass die Mehrheit der Frauen nur durch klitorale Reizung zum Orgasmus kommt und nicht durch das übliche »Rein und Raus« des Penis.
1972 veröffentlichte Mary Jane Sherfey ihr Buch »Die Potenz der Frau« und entwickelte darin die Forschungen von Masters und Johnson konsequent weiter. Sie stellte Freuds Vaginal-Orgasmus-Theorie ihre »Klitoris-Leitzonen-Theorie« gegenüber und zeigte auf, dass der vaginale Orgasmus nichts anderes als ein klitoraler ist: Die intensiven Empfindungen in der Vagina werden durch Nervenverbindungen an die Klitoris weitergeleitet und lösen dort den Orgasmus aus.
1976 stellte Shere Hite in ihrem Report fest, dass 79 % der Befragten bei der Masturbation ihre Klitoris stimulierten und nur gerade 1,5% das Innere der Vagina.
1982 erschien das Buch »Der G-Punkt« von Ladas, Whipple und Perry, in dem gezeigt wird, dass die sexuellen Organe von Mann und Frau einander entsprechen. So findet der G-Punkt sein Pendant in
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