Vom Regen in die Traufe
passte.
Der L ä rm verebbte, und unmittelbar darauf tauchte aus dem Flockenwirbel die Quelle des Ger ä usches auf. Ein riesiger, roter Hei ß luftballon trieb pfeilschnell ü ber das Eis, er zog eine ra m ponierte, zerfetzte Gondel hinter sich her, in der sich minde s tens eine Person befand, es war eine Frau, die gellend auf Schwedisch um Hilfe rief. Der Ballon sauste an Hermanni vorbei und w ä re vom Schneegest ö ber geschluckt worden, doch dann traf er am Ufer der kleinen Selk ä saari-I nseln auf eine Gruppe Kr ü ppelkiefern, in der er mit seiner Gondel und den verfitzten Seilen h ä ngen blieb. Schwache Hilferufe klangen her ü ber. Dort war die Not gro ß , das wusste Hermanni sehr wohl, doch hatte er auch einen riesigen Fang am Haken, den es ebenfalls zu retten und aufs Eis zu ziehen galt.
Nein, er durfte nicht z ö gern. Hermanni lie ß den Eisbohrer im halb fertigen Loch stecken und lief hin ü ber zu den Inseln, wo der Sturmwind den riesigen roten Ballon auf die Eisdecke peitschte und die Frauenstimme immer kl ä glicher rief:
» Hj ä lp! Hj ä lp! Hilfe! Hilfe! «
Hermanni Heiskari rannte schneller. Als er sich der ä u ß eren Insel n ä herte, sah er den Ballon, der mit gro ß en Lettern b e schriftet war: Rotes Kreuz Å land. Im Korb hockte schlotternd eine Frau im Pelzmantel, sie hatte blutige Schrammen im G e sicht und stand offenbar unter Schock. Hermanni durc h trennte mit dem Dolch die sechzehn dicken Seile zwischen Ballon und Gondel. Als das geschehen war, stieg der riesige Ballon leicht wie eine Feder zum Himmel auf und verschwand nach wenigen Sekunden im Schneegest ö ber. Die Gondel plumpste aufs stein i ge Ufer, und heraus kroch zitternd eine etwa vierzigj ä hrige Frau. Hermanni hob sie hoch und trug sie an eine gesch ü tzte Stelle hinter ein par kleinen Kiefern und gro ß en Felsplatten.
» Ich bin Hermanni Heiskari, und wer sind Sie? «
» Bin ich in Finnland? « , rief die Frau verdutzt. Als Hermanni ihr das best ä tigt hatte, jawohl, in Finnland, auf dem Inarisee, konnte sie es gar nicht glauben. Sie hatte angenommen, im Nordteil des Bottnischen Meerbusens, irgendwo bei Lule å , verungl ü ckt zu sein.
» Ich hei ß e Lena Lundmark. «
Die Frau, erregt durch die Notlandung, war sch ö n. Ihr off e nes braunes Haar wehte im Wind. Die gro ß en braunen Augen waren weit aufgerissen und die sinnlichen Lippen gesch ü rzt wie bei einem kleinen M ä dchen.
Hermanni machte Anstalten, sie zu untersuchen, denn sie klagte ü ber ihre linke H ü fte und den Oberschenkel. Wom ö g lich war die H ü fte ausgerenkt, vermutete Hermanni.
Lenas Winterkluft bestand aus Nerz. Es war kein Pelzma n tel, sondern ein Ensemble aus Jacke und Hose, alles von einem weiblichen Tier aus Farmz ü chtung. Hermanni ö ffnete den Rei ß verschluss der Hose und steckte pr ü fend die Hand ins linke Bein. Die Patientin klagte laut. Als er seine Hand a n schlie ß end betrachtete und beschnupperte, stellte er fest, dass kein Blut daran klebte, auch war kein entsprechender Geruch zu verme r ken.
» Zum Gl ü ck sind keine Knochen kaputt. «
Hermanni bettete die Patientin hinter einen Stein und keh r te zu seiner Angelstelle zur ü ck. Dort beendete er die Bohrung am zweiten Loch und zog aus der so entstandenen gr öß eren Ö f f nung einen Saibling von sieben Kilo Gewicht, der noch lebte und in guter Verfassung war.
Lena Lundmark war v ö llig au ß er sich. Sie richtete sich auf und hielt nach dem Mann Ausschau, der einfach davongega n gen war und dort drau ß en in aller Ruhe zu angeln schien. Sie rief auf den See hinaus, dass sie ihm alles geben w ü rde, was er verlangte, wenn er nur zur ü ckkehren und ihr helfen w ü rde.
Hermanni t ö tete den Fisch, von der Insel klangen die fo r dernden Rufe der Frau her ü ber. W ä hrend er den dicken Lachs musterte, ü berkam ihn ein gl ü ckliches Gef ü hl. Vielleicht we n dete sich ja jetzt sein Schicksal! Er hatte einen zweifach guten Fang gemacht, in seinen H ä nden hielt er einen wirkl i chen Riesenfisch, und dr ü ben sa ß sein neuer Sch ü tzling, eine offe n bar reiche Frau. Das eine war ihm von unten, das andere von oben gegeben worden, der Fisch kam aus den Tiefen des Inari, die Frau aus den H ö hen des Himmels. Der Sturm war voller Verhei ß ungen, so wie in der alten Legende, in der ein Geist in Gestalt eines Fisches dem armen Fischersmann die herrlichsten Versprechungen macht. Hermanni sammelte sein Zeug z u sammen und machte sich mitsamt
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