Von der Erde zum Mond
man von den beiden Enden des Erddurchmessers zu dem Monde hinzog. Zweifelten sie an der Zulänglichkeit dieser Methode, so bewies man ihnen unmittelbar, nicht allein, daß dieser mittlere Abstand wohl zweihundertvierunddreißigtausenddreihundertsiebenundvierzig (engl.) Meilen (= vierundneunzigtausenddreihundertunddreißig Lieues) betrug, sondern auch daß die Astronomen sich nicht um siebenzig Meilen irrten.
Denen, welche mit den Bewegungen des Mondes nicht genau bekannt waren, erklärten die Journale täglich, daß er zwei verschiedene Bewegungen habe, erstens die Umdrehung um seine Achse, und zweitens den Umlauf um die Erde, welche beide Bewegungen in gleicher Zeit vorgingen, nämlich binnen siebenundzwanzig und einem Drittel Tag.
Die Umdrehung um seine Achse bewirkt für die Mondoberfläche Tag und Nacht; nur daß es binnen eines Monats auf dem Mond nur einen Tag giebt, und nur eine Nacht, von denen jedes dreihundertvierundfünfzig und ein Drittel Stunden dauert. Aber zum Glück ist die der Erde zugekehrte Seite von dieser mit einem Licht bestrahlt, welches vierzehnmal stärker als das Mondlicht ist. Die andere, stets unsichtbare Seite hat natürlich dreihundertvierundfünfzig Stunden absolute Nacht, welche nur durch das schwache Licht, das von den Sternen her ihr zufällt, gemildert wird. Diese Erscheinung rührt einzig von der Eigenthümlichkeit her, daß die Bewegungen der Umdrehung und des Umlaufs in vollständig gleicher Zeit vor sich gehen; eine Erscheinung, die nach Cassini und Herschel auch bei den Trabanten Jupiter’s, und sehr wahrscheinlich bei allen anderen Trabanten vorkommt.
Manche recht gescheite, aber etwas starre Köpfe begriffen nicht sogleich, daß, wenn der Mond bei seinem Umlauf um die Erde derselben stets das nämliche Antlitz zuwendet, er während derselben Zeit sich dabei um sich selber dreht. Zu diesen sagte man: »Treten Sie in Ihren Speisesaal und gehen Sie um den Tisch herum, so daß Sie den Blick stets dem Centrum zuwenden; wenn Sie mit diesem Rundgang fertig sind, findet sich, daß Sie zugleich sich selbst umgedreht haben, denn Ihr Auge hat nach und nach alle Punkte des Saals angeblickt. Nun! Der Saal ist der Himmel, der Tisch ist die Erde, und der Mond sind Sie!« – Und sie waren höchlich befriedigt durch die Vergleichung.
Also, der Mond zeigt der Erde unablässig dieselbe Seite; doch muß man, um exact zu sein, beifügen, daß er, in Folge einer gewissen schwankenden Bewegung von Norden nach Süden, und von Westen nach Osten, welche man »Libration« nennt, etwas mehr als die Hälfte seiner Scheibe, nämlich ungefähr siebenundfünfzig Hunderttheile, sehen läßt.
Als die Unwissenden über die Rundbewegung des Mondes ebenso viel wußten, als der Director des Observatoriums zu Cambridge, beunruhigten sie sich über seine Umlaufbewegung um die Erde, und zwanzig wissenschaftliche Zeitschriften waren rasch bei der Hand, sie zu belehren. Sie lernten dabei, daß das Firmament mit seinen unzähligen Sternen wie ein großes Zifferblatt angesehen werden kann, worauf der Mond herum spaziert und allen Erdbewohnern die richtige Stunde angiebt; daß das Nachtgestirn bei dieser Bewegung seine verschiedenen Phasen zeigt; daß es Vollmond ist, wenn er auf der der Sonne entgegengesetzten Seite (in Opposition) steht, d.h. die drei Gestirne in derselben Linie, in der Mitte die Erde; Neumond dagegen, wenn er seinen Stand zwischen der Erde und der Sonne hat (mit ihr in Conjunction ist); endlich, daß der Mond in seinem ersten oder letzten Viertel sich befindet, wenn er an der Spitze eines rechten Winkels steht, welchen die beiden Linien nach der Sonne und der Erde hin, bilden.
Einige scharfsinnige Yankees zogen daraus den Schluß, daß die Verfinsterungen nur zur Zeit der Conjunction oder Opposition stattfinden könnten, und sie urtheilten richtig. Im Stand der Conjunction vermag der Mond die Sonne zu verfinstern, während bei der Opposition die Erde ihn verfinstern kann, und daß nur deshalb die Finsternisse nicht zweimal bei jedem Mondumlauf eintreten, weil die Ebene der Mondbewegung gegen die Ekliptik, d.h. die Bahn der Erdbewegung, geneigt ist.
Was die Höhe betrifft, welche das Nachtgestirn über dem Horizont einnehmen kann, so hatte das Schreiben des Observatoriums in der Hinsicht Alles gesagt. Jeder wußte, daß diese Höhe sich nach dem Breitegrad des Beobachters ändert. Aber die einzige Zone, für welche der Mond im Zenith, d.h. gerade über dem Scheitel seiner Bewohner, stehen
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