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Von der Erde zum Mond

Von der Erde zum Mond

Titel: Von der Erde zum Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Barbicane’s Phantasie gleich einem undurchdrunglichen Panzer, an welchem solche Bemühungen scheiterten, und Barbicane war in Nicholl’s Gedanken wie ein Projectil, das ihn durch und durch bohrte.
    Obwohl nun diese beiden Gelehrten zwei divergirende Linien einschlugen, so wären sie doch, entgegen allen Lehrsätzen der Geometrie, am Ende auf einander gestoßen; doch auf dem Boden des Duells. Zum Glück für diese ihrem Vaterland so nützlichen Bürger waren sie durch einen Zwischenraum von fünfzig bis sechzig Meilen von einander getrennt, und ihre Freunde wußten ihnen so viele Hindernisse entgegen zu schieben, daß sie sich niemals begegneten.
    Zur Zeit wußte man noch nicht recht, welcher der beiden Erfinder den Sieg davon tragen würde; es schien jedoch, es werde schließlich der Panzer der Kugel das Feld räumen. Jedoch waren competente Beurtheiler noch im Zweifel. Bei den letzten Proben waren Barbicane’s kegel-cylindrische Spitzkugeln in Nicholl’s Platten stecken geblieben; jetzt glaubte der Schmied zu Philadelphia schon den Sieg in Händen zu haben und seinen Rivalen gering schätzen zu dürfen; als aber später dieser anstatt der Spitzkugeln einfache sechshundertpfündige Haubitzgranaten verwendete, mußte der Kapitän schon sich herab stimmen. In der That, diesen Geschossen gelang es, obschon bei mäßiger Schnelligkeit 2 , die Platten aus bestem Metall zu zerschmettern, zu durchlöchern, in Stücke zu zertrümmern.
    Als nun der Sieg auf Seiten der Kugel gesichert schien, und Nicholl eben einen neuen Panzer von Schmiedeeisen fertig hatte, nahm der Krieg ein Ende. Es war ein Meisterstück, das allen Geschossen der Welt Trotz bot. Der Kapitän ließ es auf das Polygon 3 zu Washington bringen, und forderte den Präsidenten des Gun-Clubs auf, es zu zertrümmern. Nach dem Friedensschluß wollte Barbicane gar nicht mehr die Probe machen.
    Darauf erbot sich Nicholl, seine Platte den unwahrscheinlichsten Schüssen auszusetzen, Vollkugeln oder hohlen, Spitzkugeln oder runden, aber der Präsident ließ sich nicht darauf ein, er wollte durchaus nicht mehr seinen letzten Erfolg einer Gefahr aussetzen.
    Nicholl, durch diesen unbeschreiblichen Eigensinn gereizt, wollte Barbicane durch alle Vortheile, die er ihm anbot, in Versuchung bringen. Er schlug vor, seine Platte in einer Entfernung von zweihundert Yards von der Kanone aufzustellen. Barbicane beharrte auf seiner Weigerung. Auf hundert Yards? Nicht einmal auf fünfundsiebenzig.
    »Auf fünfzig dann«, rief der Kapitän in seinen Journalen, »auf fünfundzwanzig Yards meine Platte, und ich will mich dahinter stellen!«
    Barbicane ließ antworten, selbst wenn Nicholl sich davor stellte, würde er doch nicht mehr schießen.
    Nun gerieth Nicholl außer sich, wurde beleidigend. Er erklärte, Feigheit sei eine untrennbare Eigenschaft; ein Mann, der sich weigere, einen Kanonenschuß zu thun, sei nahe daran sich zu fürchten; überhaupt, die Artilleristen, welche sich jetzt auf sechs Meilen Distanz schlagen, seien so klug, persönlichen Muth durch mathematische Formeln zu ersetzen; und übrigens verrathe es ebenso viel Muth, hinter einer Platte eine Kugel ruhig abzuwarten, als sie nach allen Regeln der Kunst abzuschießen.
    Barbicane ließ sich nicht herbei, auf solche gehässige Aeußerungen zu antworten; vielleicht auch kamen sie ihm nicht zu Ohren, denn die Beschäftigung mit seinem großen Vorhaben nahm ihn völlig in Beschlag.
    Als er seine berühmte Mittheilung an den Gun-Club machte, stieg Nicholl’s Zorn auf’s Höchste. Es mischte sich ein hoher Grad von Eifersucht bei, und das Bewußtsein, gar nichts dagegen zu vermögen! Wie konnte er etwas erfinden, was diese Columbiade von neunhundert Fuß Länge überbot! Konnte jemals ein Panzer einem Dreißigtausendpfünder Widerstand leisten? Nicholl war Anfangs zu Boden geworfen, vernichtet, zerschmettert von diesem »Kanonenschuß«; hernach richtete er sich wieder auf, und beschloß, den Vorschlag durch das Gewicht seiner Beweisgründe zu vernichten.
    Er griff also die Arbeiten des Gun-Clubs auf’s Heftigste an; schrieb eine Menge Briefe, welche die Journale gerne abdruckten. Er versuchte auf wissenschaftlichem Wege Barbicane’s Werk zu zerstören. Als einmal der Krieg in Gang war, rief er Gründe aller Art, und offen gesagt, häufig auch nur scheinbare ohne Gehalt, zu seinem Beistand.
    Zuerst griff er Barbicane sehr heftig in seinen Berechnungen an; suchte durch
A+B
die Unrichtigkeit seiner Formeln zu beweisen,

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