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Von der Erde zum Mond

Von der Erde zum Mond

Titel: Von der Erde zum Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Herschel selbst hat daraus keinen Schluß auf das nothwendige Vorhandensein einer Mondatmosphäre gezogen.
    »Gut geantwortet«, sagte Michel Ardan, mit einem Compliment für seinen Gegner; »ich sehe, daß Sie sehr stark in der Selenographie sind.«
    – Sehr stark, mein Herr, und ich füge bei, daß die geschicktesten Beobachter, welche am meisten Studien über den Mond gemacht haben, Beer und Mädler, über den gänzlichen Mangel an Luft auf seiner Oberfläche einig sind.
    Die Zuhörer, auf welche die Argumente des merkwürdigen Mannes Eindruck zu machen schienen, geriethen in Bewegung.
     

    Angriff und Abwehr. (S. 132.)
     
    »Nur weiter«, erwiderte Michel Ardan mit größter Seelenruhe, »und nehmen wir eine bedeutende Thatsache in Betracht. Laussedat, ein tüchtiger französischer Astronom, hat bei Beobachtung der Sonnenfinsterniß am 18. Juli 1860 constatirt, daß die Spitzen der halbmondförmigen Sonnenscheibe abgerundet und verstümmelt waren.
     

    Triumphzug. (S. 110.)
     
    Diese Erscheinung aber konnte nur von einer Brechung der Sonnenstrahlen durch die Atmosphäre des Mondes herrühren; eine andere Erklärung ist nicht gut möglich.«
    – Aber steht auch die Thatsache fest? fragte lebhaft der Unbekannte.
    »Unumstößlich fest!«
    Das Schweigen seines Gegners erregte in der Versammlung abermals eine Bewegung, und zwar zu Gunsten ihres gefeierten Helden. Ardan ergriff wieder das Wort und sagte, ohne sich mit dem errungenen Vortheil zu brüsten, einfach:
    »Sie sehen also wohl, mein werther Herr, daß man sich nicht so bestimmt gegen das Vorhandensein einer Atmosphäre auf der Oberfläche des Mondes aussprechen darf; diese Atmosphäre ist vielleicht dünn, etwas sein, aber heutiges Tags hat die Wissenschaft allgemein angenommen, daß sie vorhanden ist.«
    – Nicht über die Berge hinaus, wenn Sie belieben, entgegnete der Unbekannte, der an seiner Meinung festhielt.
    »Nein, aber in den Thälern, und einige Hundert Fuß hoch.«
    – Jedenfalls würden Sie wohl thun sich vorzusehen, denn diese Luft wird erschrecklich dünn sein.
    »O! mein wackerer Herr, für einen einzigen Menschen wird sie immer hinreichen; übrigens, bin ich nur einmal oben, so werde ich möglichst haushälterisch sein, und nur bei Hauptveranlassungen athmen.«
    Entsetzliches Lachen donnerte dem geheimnißvollen Disputanten in die Ohren; mit stolzem Trotz schweiften seine Blicke über die Versammlung hin.
    »Da wir nun«, fuhr Michel Ardan mit ungezwungener Miene fort, »über das Vorhandensein einer Atmosphäre einig sind, so müssen wir nothwendig zugeben, daß auch eine gewisse Quantität Wasser vorhanden sei. Ueber diese Folgerung freue ich meinerseits mich sehr. Außerdem, mein liebenswürdiger Gegner, gestatten Sie mir, Ihnen noch eine Bemerkung vorzulegen. Wir kennen nur eine Seite der Mondscheibe, und wenn auf der uns zugekehrten Seite wenig Luft vorhanden ist, so ist’s möglich, daß derselben viel auf der entgegengesetzten sich findet.«
    – Und aus welchem Grund?
    »Weil der Mond in Folge der Anziehung von Seiten der Erde die Gestalt eines Eies angenommen hat, dessen Spitze uns zugekehrt ist. Daher, nach Hansen’s Berechnung, die Folge, daß sein Schwerpunkt in der andern Hälfte liegt. Daraus schließt man, daß von den ersten Tagen der Schöpfung unseres Trabanten an, alle Massen von Luft und Wasser sich auf die andere Seite ziehen mußten.«
    – Pure Phantasieen! rief der Unbekannte.
    »Nein, pure Theorieen, die sich auf die Gesetze der Mechanik stützen, und die, meines Erachtens, schwer zu widerlegen sind. Ich berufe mich darüber auf diese Versammlung, und ich lege ihr die Frage zur Entscheidung vor, ob ein solches Leben, wie es auf der Erde vorhanden, auf der Oberfläche des Mondes möglich ist?«
    Dreimalhunderttausend Zuhörer zollten dem Satze Beifall. Der Gegner Michel Ardan’s wollte noch reden, konnte aber nicht zu Gehör kommen. Er ward von Schreien und Drohen wie mit einem Hagel überschüttet.
    – Genug, genug, riefen die Einen.
    – Jagt den Eindringling fort! wiederholten Andere.
    – Hinaus! Hinaus! schrie die aufgeregte Menge.
    Er aber, fest an das Gerüst geklammert, wich und wankte nicht, ließ den Sturm austoben, der zu einer fürchterlichen Höhe gestiegen wäre, hätte ihn nicht Michel Ardan durch eine Handbewegung gestillt. Er war zu ritterlich, um seinen Gegner in solcher Noth stecken zu lassen.
    »Sie wünschen noch einige Worte hinzuzufügen«, fragte er im freundlichsten Tone.
    – Ja!

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