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Von der Erde zum Mond

Von der Erde zum Mond

Titel: Von der Erde zum Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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gesucht, einen alten Groll zu befriedigen.
    Es giebt nichts Schrecklicheres, als diese persönlichen Feindschaften und Zweikämpfe in Amerika. Da suchen sich zwei Gegner und lauern auf einander in Wald und Gehölz, und zielen aus dem Gebüsch, wie auf Rothwild. Dann beneiden sie die Indianer der Prairien um ihre wunderbaren Naturgaben, den raschen Verstand, die angeborene Schlauheit, die instinctmäßige Witterung des Feindes. Ein Irrthum, ein Anstoß, ein Fehltritt können den Tod herbeiführen. Solches Streifen nehmen die Yankees oft in Begleitung ihrer Hunde vor, zugleich als Jäger und Wild, und treiben sich stundenlang einander auf.
    – Welche Teufel von Leuten seid Ihr! rief Michel Ardan, als ihm sein Gefährte mit viel Energie dies ganze Treiben geschildert hatte.
    – So sind wir, erwiderte Maston kleinlaut; aber eilen wir.
    Indessen mochten sie noch so sehr in Eile über die thaufeuchte Ebene rennen, über Reisfelder und Bäche setzen, um die Wege abzukürzen; vor halb sechs Uhr konnten sie nicht in’s Gehölz von Skersnaw kommen. Barbicane mußte schon seit einer halben Stunde sich auf dem Platz eingefunden haben.
     

    Maston dringt in’s Schlafzimmer. (S. 142.)
     
    Sie trafen da einen alten Buschmann, der mit Reiserbinden beschäftigt war.
    Maston lief zu ihm, und rief ihm zu:
    – Haben Sie einen Mann mit einer Büchse in den Wald gehen sehen – den Präsidenten Barbicane, meinen besten Freund? …
    Der würdige Secretär des Gun-Clubs war so naiv, zu glauben, sein Präsident müsse der ganzen Welt bekannt sein. Aber der Buschmann schien ihn nicht zu verstehen.
    – Einen Jäger, sagte drauf Ardan.
     

    Ein Vöglein im Netz der Spinne. (S. 147.)
     
    – Einen Jäger? Ja, erwiderte der Buschmann.
    – Ist’s schon lange?
    – Etwa eine Stunde.
    – Zu spät! schrie Maston.
    – Und haben Sie Flintenschüsse gehört? fragte Michel Ardan. – Nein.
    – Nicht einen einzigen?
    – Nicht einen . Der Jäger hat, scheint’s, keine gute Jagd.
    – Was nun weiter? sagte Maston.
    – Wir gehen in’s Gehölz auf die Gefahr, von einer Kugel getroffen zu werden, die nicht für uns bestimmt ist.
    – Ach! rief Maston in einem Ton, der nicht mißzuverstehen war, lieber hätte ich zehn Kugeln in meinem Kopf, als eine einzige in Barbicane’s.
    – Vorwärts also! fuhr Ardan mit einem Händedruck fort.
    Nach einigen Minuten verschwanden die beiden Freunde im Gehölz. Es war ein Dickicht von Riesencypressen, Sykomoren, Tulpenbäumen, Oelbäumen, Tamarinden, immergrünen Eichen. Die Zweige dieser verschiedenen Bäume waren unentwirrbar mit einander verwachsen, und gestatteten dem Blick keine weite Aussicht. Michel Ardan und Maston gingen also nicht weit von einander schweigend durch hohes Gras, bahnten sich ihren Weg durch Lianen, fragten mit Blicken die Büsche und das dichte Laubwerk. Nirgends ließ sich eine Spur erkennen, die Barbicane’s Schritte hätte bezeichnen können, und sie gingen wie blind auf den mit Mühe gebahnten Pfaden, wo ein Indianer Schritt für Schritt seinem Gegner gefolgt wäre.
    Nach einer Stunde vergeblichen Suchens blieben sie stehen. Ihre Unruhe verdoppelte sich.
    – Es muß wohl Alles vorbei sein, sagte Maston entmuthigt. Ein Mann wie Barbicane hat nicht seinem Gegner einen listigen Streich gespielt! Er ist zu offen, zu muthig, ist gerade vorwärts der Gefahr entgegen gegangen, ohne Zweifel zu weit von dem Buschmann entfernt, als daß dieser den Schuß hören konnte!
    – Aber wir! wir! versetzte Michel Ardan, seit wir uns in dem Gehölz befinden, hätten ihn hören müssen! …
    – Und wenn wir zu spät kamen! rief Maston im Ton der Verzweiflung.
    Michel Ardan hatte kein Wort darauf zu antworten, und sie gingen weiter. Von Zeit zu Zeit erhoben sie lautes Geschrei, und riefen, bald Barbicane, bald Nicholl; aber keiner von Beiden gab eine Antwort. Muntere Vögel, von dem Lärm geschreckt, verließen in Schwärmen das Gezweig, und einige aufgescheuchte Damhirsche flüchteten eiligst durch das Gehölz.
    Noch eine volle Stunde suchten sie fort. Sie hatten fast den größten Theil des Buschwerks durchforscht, und keine Spur von der Anwesenheit der Kämpfer hatte sich gezeigt. Die Aussage des Buschmanns war doch zu bezweifeln, und Ardan wollte schon das fruchtlose Suchen aufgeben, als Maston plötzlich stehen blieb.
    – St! St! Da ist Jemand!
    – Jemand? erwiderte Michel Ardan.
    – Ja! ein Mann! Es scheint, er rührt sich nicht. Keine Büchse in seiner Hand. Was treibt er doch?
    –

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