Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
Hektiktrip.
Erdmann Auf meinem Kurs durch die Südsee habe ich entschleunigtes Leben vorgefunden. In Tahiti beispielsweise. Diese Lockerheit der Polynesier hat mich fasziniert. Auch die Schönheit von Mensch und Natur hat es mir angetan. Du sitzt an einem Bach, kühlst deine Füße, schon kommt ein Polynesier und bringt dir eine Kokosnuss zum Trinken, oder ein Mädchen reicht dir eine Frucht. Man ist um das Wohlsein der Gäste besorgt.
Moser Stichwort Südsee. Das bringt mich zu der Frage, wie sieht das gemeinsame Segeln mit deiner Frau Astrid aus? Ihr habt ja wohl Tausende von Tagen zusammen gesegelt.
Erdmann Richtig, um die 3000 Tage – die Nächte nicht zu vergessen. Wenn ich Kaps oder Riffe zu sehr schneide oder die Segel zu lange stehen lasse, kracht es schon mal. Wenn wir wochenlang auf See sind, gibt es dagegen kaum Differenzen. Astrid kämpft mit der Seekrankheit, ich mit den Segeln. Das ist die Rollenverteilung. Wer krank ist, diskutiert nicht. Ansichten und Lösungen des anderen werden respektiert. Hilfreich für das Miteinander auf so engem Raum ist, dass jeder seinen Freiraum hat. Auf See bin ich aktiver, im Hafen ist es Astrid. Wir haben eine gute Aufgabenteilung entwickelt.
Moser Hat Astrid wegen ihrer ständigen Übelkeit beim Segeln nicht mal die Flucht ergriffen?
Erdmann Nein. Astrid kommt vom Sport, ist keine Heulsuse, keine Plüschmaus. Zudem muss ich ihr ein großes Kompliment machen. Sie hat für den Start von Kyms Leben, als er drei Jahre mit uns an Bord war, mehr, viel mehr getan als ich. Wie notwendig das ist, weißt du selbst, du warst ja auch einige Male mit deinen Söhnen in den Wüsten unterwegs.
Moser Es war immer etwas Besonderes, wenn meine Söhne, Dirk und Aaron, mit in die Wüste reisten. Rita, meine Frau, ist dann hin und wieder lieber zu Hause geblieben. Mit ihr kann man wirklich Pferde stehlen, doch die Wüste, die sie in Nordafrika schon einige Male erlebt hat, ist nicht so ihr Ding.
Erdmann Kommen wir zu den Kosten. Ohne Geld ist bekanntlich alles nichts.
Moser In jungen Jahren habe ich neben der Schule und dem Studium alle möglichen Jobs angenommen, um meine Reisen zu finanzieren. Später kamen Magazine wie Stern und GEO hinzu, auch Buchverlage und Firmen, die einen Teil der Reisekosten übernommen haben. Und dann sind da noch die Honorare für Vortragsveranstaltungen sowie Fernseh- und Radioberichte. Hierbei hatte ich oft viel Glück, weil ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort den richtigen Menschen traf. So konnte ich vom Reisen, Fotografieren und Schreiben leben. Natürlich gab es in 35 Jahren auch einige Wellentäler. Doch die »Ups and Downs« gehören nun mal zum Leben – auch bei der Finanzierung größerer Reiseprojekte.
Erdmann Segeln ist nicht ganz billig, vor allem wenn man übers Meer will. Daher dauerte es auch volle drei Jahre, bis ich mein erstes Schiff mein Eigen nennen durfte. Meine kathena . Damit segelte ich 1966 als erster Deutscher allein um die Welt. Gut. Das hat mir natürlich beim Geldverdienen geholfen. Dann verkaufte ich kathena und hatte sogleich das Grundkapital für das nächste Schiff, ein etwas größeres. So ging es bis heute. Da alle unsere Schiffe immer gepflegt wurden, ließen sie sich auch gut verkaufen. Inzwischen bin ich beim zehnten. Hinzu kamen Einnahmen aus Beiträgen in Magazinen sowie von meinen Büchern und Vorträgen. Letztendlich finanzierte ich meine aufwendigen Nonstop-Törns mithilfe von Sponsoren. Das alles zusammen reichte, um vom Segeln leben zu können. Nicht zu vergessen unser großer Obst- und Gemüsegarten, der sehr hilfreich war.
Moser Was sind eigentlich deine stärksten Eigenschaften?
Erdmann Hm, die Frage ist mir nicht neu. Meine Eigenschaften? Weiß ich nicht so genau. Vielleicht, das Einfache in den Vordergrund zu stellen. Und mein Freiheitswille. Ja. Eben das tun zu können, was ich möchte.
Moser Ich denke, individuelle Unabhängigkeit und Freiheit ist wie ein Virus. Wenn man einmal infiziert ist, kann man nicht mehr davon lassen. Doch heutzutage wird es für die jüngeren Menschen immer schwieriger, sich aus unserer komplizierten Welt zu lösen. Nicht umsonst heißt es: Freiheit liegt hinter den Mauern, die wir uns selbst errichten. Doch diese Mauern muss man erst einmal erkennen, um sie dann zu überwinden. – Ich wünschte, unsere Welt würde etwas überschaubarer und einfacher werden. Vor allem einfacher. Ein schöner
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