Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
ich mich für zwei oder drei Stunden in mein kleines Biwak zurückziehen musste, um vor den stechenden Partikeln geschützt zu sein.
Da waren die Wahiba-Beduinen, meist Kamel- und Ziegenzüchter, von denen noch etwa 3000 in den Wahiba Sands leben. Menschen des Sandes und des Windes. Viele Familien leben noch heute sehr zurückgezogen. Engere Kontakte zur Außenwelt meiden sie. Ihre Heimat ist die Wüste, das Land ihrer Vorväter. Ihre Stärke ist der Verzicht auf Bequemlichkeit, die ihnen die zivilisierte Stadtwelt bieten würde. Doch niemals könnten sie in der Stadt leben. Sie brauchen die Weite. Sesshaftigkeit und materielle Bindungen lehnen sie ab. Nur so können sie ein naturgemäßes Leben führen, dem ich mich auf seltsame Weise verbunden fühle.
Manche Beduinen, die ich auf meinem Weg traf, gaben mir mit eindeutiger Gestik zu verstehen, dass sie für sich sein wollten, was ich respektierte. Andere halfen mir mit Wasser und Nahrung aus, wenn ich etwas brauchte. Und wieder andere umarmten mich und hießen mich mit dem ganzen feierlichen Begrüßungsritual der Wüstenbewohner willkommen und luden mich in ihre einfachen Hütten ein, die hin und wieder vorsintflutlichen Behausungen glichen. Im Schneidersitz saß ich dann mit den Männern auf einer Decke. Alle trugen die Dishdash, das traditionelle omanische Gewand, bodenlang und aus Naturfasern gefertigt, das den ganzen Körper bedeckt. Ihre dunkelhäutigen Gesichter waren von Sonne, Wind und Staub gegerbt, während die oft buntgekleideten Beduinenfrauen ihre Gesichter ausnahmslos hinter einen Schleier verbagen. Für ein paar Stunden genoss ich Gemeinschaft und Gastfreundschaft, bekam Kaffee und Wasser, aß mit Genuss das köstliche Fladenbrot, das in der heißen Asche einer kleinen Feuerstelle gebacken wurde. Anschließend klopften die Frauen es mithilfe eines Tuches und eines Steins ab, damit kein Sand zwischen den Zähnen knirschte. Nach dem Essen wurde laut palavert, gelacht oder geschwiegen. Denn in der Welt der Beduinen muss nichts Besonderes geschehen, um sich wohl zu fühlen.
Wenn ich mich dann wieder auf den Weg machte, wusste ich, dass ich meine Gastgeber nie wiedersehen würde. Das ist das Merkwürdige beim Unterwegssein in entlegenen Erdwinkeln, das mich nach wie vor berührt: Man trifft Menschen, lernt sie kurz kennen und nimmt wieder Abschied. Was bleibt, sind Erinnerungen an ein paar Stunden voller Geselligkeit und menschlicher Wärme. Erinnerungen an Menschen, die ein ganz anderes Leben führen und die für mich Hüter und Bewahrer einer äußerlich armen, aber innerlich sehr reichen archaischen Lebensform sind.
Da waren die Pflanzen und Tiere, die in dieser scheinbar leblosen Ödnis existieren. Überwiegend traf ich auf pflanzliches Leben, das sich meist knorrig, borstig und dornig zeigte. Zwischen vereinzelten Akazien, Tamarisken, Mesquite-Bäumen, Sträuchern und Büschen wuchsen verschiedenste Grasarten. Manchmal klammerten sich nur ein paar zarte Halme an die Sandberge, dann wieder ganze Büschel von leuchtend grünem Dünengras. Nicht zu vergessen die Ghaf-Bäume, die sehr tief im Erdboden wurzeln und so die Dünenhänge stabilisieren; die salzresistente Rimth-Pflanze, die den Beduinen zur Fertigung von Seife dient; der drei bis sechs Meter hohe Zahnbürstenbaum, dessen hängende Zweige sich zur Zahnreinigung eignen, während die Blätter der Arta-Pflanze bei Zahnschmerzen gekaut werden. Und auch die Früchte des Wüstenkürbis, die wegen ihres Giftstoffes als Nahrungsmittel ungeeignet sind, werden im medizinischen Bereich vielfältig genutzt.
Ebenso ungewöhnlich ist die Tierwelt der Wahiba Sands: Da gibt es blutsaugende Mücken, piesackende Bremsen, nervige Fliegen, Tausendfüßler und Käfer. Zudem leben hier Wüstenwarane, Geckos, Sandskinks, Mungos, Wildkatzen, Füchse, Wölfe und verschiedenste Reptilien. Allesamt perfekte Überlebenskünstler, die sich dem trockenen Klima und dem sonnendurchglühten Erdboden auf ganz unterschiedliche Art und Weise angepasst haben. Hinzu kommen zwei wesentliche Faktoren, die ein Leben in einer solch extremen Dürrezone überhaupt erst möglich machen: Zum einen ist es die Luftfeuchtigkeit, die vom Arabischen Meer über die Wahiba Sands treibt und sich auf den Dünenketten niederschlägt. Zum anderen ist es der Wind, vor allem der stetige Abendwind, der aus den fruchtbaren Randgebieten der Wüste viel Nahrung in die Einöde trägt, zumeist Samen und Pflanzenteilchen.
Gleichwohl habe ich auf meiner
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