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Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Titel: Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel & Kimche AG
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gekauft hast / grauer BH mit dem Steinchen dran, das du mir geschenkt hast / blaues Nachthemd, die Träger herunterhängend / schwarzweiß kariertes Kleid mit rotem Bändel / die tizianrote Perücke, Haare mit einer Klammer hochgesteckt, so dass nur Strähnchen hervorschauen / Ohrringe, die meinen Hals betonen, was sagst du dazu? Und würdest du bitte (falsche) Rosenblätter kaufen und damit mein Bett bestreuen? Und einen (echten) Strauß mit roten Rosen? Und kleine Kerzen aufstellen? Und eine weiße große Kerze und eine weiße mittlere Kerze? Und würdest du die alle anzünden, bevor ich mit ihm ins Zimmer gehe?
    Kein Problem, Sarah. Nur denk daran, dass deine Scheide vielleicht trocken sein wird, im Badezimmer steht ein Fläschchen Öl, das kannst du aufs Kondom streichen, falls du das magst.
    Dies sei kein Rückfall, sagen die Ärzte in ihrem kleinen düsteren Zimmer, sondern eine Zweiterkrankung, bedingt durch die Chemotherapien gegen die erste, Sarah, um genau zu sein, leide jetzt an einem Myelodysplastischen Syndrom, MDS, das sehr schnell zur einer Akuten myeloischen Leukämie, AML, geworden sei, die Heilungschance, es tut uns leid, liegt bei fünfundzwanzig bis fünfzig Prozent – falls wir geeignetes Knochenmark finden.
    Sarah notiert: Myelodysplastisches Syndrom > MDS > Krebs > Blahblah!
    Es ist Herbst.
    Eine Freundin der Mutter bittet die Neue Luzerner Zeitung um einen Aufruf, 4. Oktober 2010: Helfen kann Sarah M. nur noch eine Knochenmarkspende. Doch die Zeit eilt.
    Die Freundin gründet eine Facebookgruppe, Rettet Sarah – rettet Leben, im Lauf von zwei Wochen melden sich über tausend Menschen aus der Zentralschweiz, auch Familien, Firmen, Fasnachtsgruppen, die bereit wären, von ihrem Knochenmark zu geben, wenn es denn passt zu jenem von Sarah, krank seit drei Jahren.
    Mein Lachen, sagen alle, das lieben sie, doch es ist gelogen, wie alles von mir. Das richtige Lachen, das habe ich verlernt, denn meine Tränen, die haben sich vermehrt. Jede Nacht werden sie mehr. Bis ich nicht mehr kann. Ich weine mich fast jeden Abend in den Schlaf. Von außen ist nichts zu sehen, 28. Oktober 2010, 01:48.
    Lungenentzündung.
    Hirnhautreizung.
    Durchfall.
    Liebe Verwandte, Bekannte, Kolleginnen, Kollegen und Freunde aller Art, es wurde ein Spender für Sarah gefunden! Neun von zehn Merkmalen stimmen überein. Vertrauen wir weiterhin!
    Die Mutter sagt: Sarah, ich möchte, dass du aufschreibst, wer was bekommt, falls du gehen musst oder gehen willst.
    Schreib alles auf, bittet Mami.
    Meine Thomas-Sabo-Sachen bekommt meine Schwester J., meine Box im Nachttischli wird vergraben, meine Porzellankatzensammlung bekommt Grosi, mein Armketteli bekommt meine beste Freundin M., Mami bekommt meinen Ring *hope*, Papi meine Bücher und alle elektronischen Sachen, mein Freund M. bekommt das Ohne-dich-ist-alles-doof-Kissen, meine Amerika-Sachen werden NICHT weggeworfen (Fahne usw.), keine traurige Musik an der Beerdigung, aber trotzdem Musik, nicht zu viel Kirchenschnickschnack, Fotodiashow, lustige Reden, schöne und viele Blumen.
    Und danach?, fragt die Mutter per E-Mail. Was hältst du davon, im Gemeindesaal ein Buffet aufzufahren, aperomäßig, Pizzaschnitten, und jeder nimmt, was er will.
    Gute Idee, antwortet Sarah auf 2 West.
    Am 19. Dezember 2010 setzen Ärzte des Universitätskinderspitals Basel einen Broviac-Katheter in Sarahs Brust, drei dünne Schläuche, jeder für einen anderen Stoff, die Gastfamilie in Amerika hat eine Mütze geschickt, weißes Kunstfell mit rotem Zipfel, darauf das Wort Georgia. An Weihnachten ist Sarah zu Hause im Dorf, sie lacht und scherzt bis in den frühen Morgen, der Freund ist da, die beste Freundin, die jüngere Schwester, man spielt ein Trinkspiel, trinkt Eistee.
    27.12.10, noch acht Tage bis zur Transplantation, Tag –8, Beginn der letzten Chemophase, Universitätskinderspital beider Basel, Isolationsdusche, Isolationszimmer, es ist Abend, die Mutter, in grünen keimfreien Kleidern, beginnt plötzlich zu lachen, in der Hand hält sie eine große Tüte, desinfiziert.
    Was das sei, fragt Sarah.
    Ein Sack voller Gedanken, alle die, die dich lieben, haben da drin einen Spruch versteckt, einen für jeden Abend, hundert Sprüche, hundert Küsse, hundert Hoffnungen. Und wenn sie, Sarah, in hundert Tagen den letzten Spruch gezogen habe, sei sehr wahrscheinlich, dass das neue Knochenmark das alte für alle Zeit vertrieben habe, das gute das schlechte, sagt Mami.
    Cold it is. Warm I am. Tough it is.

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