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Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Titel: Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel & Kimche AG
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vor Mitternacht, Sonntag, 23. Dezember 2007, setzt der Vater eine E-Mail in die Welt: Geschätzte Verwandte, Bekannte, Kolleginnen, Kollegen und Freunde aller Art, wir müssen uns diesem Kampf stellen, und wir wollen und werden ihn gewinnen! Schließt uns ein in eure Gedanken, Hoffnungen, Gebete oder in was auch immer.
    Den Infusionsständer, der an ihrer Seite ist, nennt Sarah Bello, es ist Heiligabend, Vater, Mutter, Schwester, die Großeltern, einige Freunde sitzen im Kindergartenraum des Kinderspitals und singen O du fröhliche, Sarahs Taufpate hat einen Weihnachtsbaum gebastelt, Sperrholz, bezogen mit grünem Filz, Kugeln hängen daran, Schokolade, Sarah bekommt eine Kamera geschenkt, sie fotografiert den Schrank, das Bett, die Pflegerinnen, Bello, die Mutter, wie sie neben dem Bett sitzt und lächelt, als sie, Sarah und Mami, Pizza essen, dann fernsehen, Upps! Die Pannenshow.
    Sarah hat Hunger. Ständig hat sie Hunger. Pizza, Ravioli, Pizza, Braten, Käse, Pizza. Manchmal ruft sie die Mutter zu Hause an, bring mir Fleischkrapfen, aber nicht irgendwelche, sondern die, die Großmutter macht, bring mir Pizza, ich sterbe vor Hunger.
    Dieser Hunger sei, sagt der Arzt, nicht außergewöhnlich, eine Folge der Medikamente, kein Grund zur Sorge.
    Sarah bestellt die Dorfcoiffeuse ins Zimmer, Sarah will nicht, dass ihr Haar, wenn die Chemotherapie beginnt, in Strähnen ausfällt, die Coiffeuse kürzt das Haar auf Nackenlänge, die Mutter fotografiert, schön siehst du aus.
    Das sagst du nur so, sagt Sarah.
    Schnitzel
    Wienerli
    Kartoffelauflauf
    Der Arzt sagt: Deine Blutwerte sind gut, an Silvester geht’s nach Hause.
    Müde und bleich sitzt Sarah vor ihrem Laptop, Rigiweg 4, Erdgeschoss links, es ist Neujahr, Sarah schaut Friends. Immer wieder fährt die Mutter sie ins Spital zur Chemotherapie.
    Prednison
    Vincristin
    Daunorubicin
    E. coli Asparaginase
    Methotrexat i.th.
    Im Fernsehen lässt Sarah keine Kochsendung aus, Das perfekte Promi-Dinner, Die Küchenschlacht, Teufels Küche, Sarah beschließt, ein Kochbuch zu schreiben, Frühlingsrollen, Eiersalat, Maccheroni alle cinque Pi, Jakobsmuscheln auf Nudelnest, Hot Dogs mit Sauerkraut, den Grill anheizen, die Würstchen auf beiden Seiten quer leicht einritzen und mit Öl bestreichen, das Sauerkraut ausdrücken und in eine geölte Aluschale füllen. Die Würstchen rundum ca. 10 Min hellbraun grillieren.
    Wenn es ihr gutgeht, sitzt Sarah am Klavier und spielt mit der Schwester, mit der Mutter, manchmal spielen alle drei, sechs Hände, Mami ganz links, die Schwester in der Mitte, Sarah bei den hohen Tönen, rechts.
    Ich will nach Amerika.
    Die Coiffeuse kommt nach Hause, Mitte Januar 2008, kürzt Sarahs Haar auf fünf Millimeter.
    Jetzt sehe ich aus wie ein Bub.
    Schön, wie Sinead O’Connor, sagt die Mutter.
    Wer ist das?
    Wenn du willst, sagt Mami, schneide ich mein Haar so kurz wie du.
    Einmal klingelt es an der Tür, die Schwester rennt los, Scheiße, schreit Sarah, mach erst auf, wenn ich mein Kopftuch anhabe.
    Scheiße, schreit Sarah, mach nicht so laut.
    Lass mich in Ruhe.
    Sarahs Heftigkeit, ihre Aggressivität, sagt der Arzt, sei nicht ungewöhnlich, wohl auch Folge der Medikamente.
    28.01.08, Induktion Phase I/b
    Cyclophosphamid
    Cytarabin
    6-Mercaptopurin
    Eine Pflegerin kommt ins Haus, drückt das Mittel in den Port-a-Cath, der in Sarahs Brust steckt, viermal in der Woche, Sarah liegt auf dem Sofa, weiß und haarlos, der Bauch tut weh, sie isst kaum, Verbotene Liebe, Marienhof, Sarah schläft weg, erwacht, hau ab, du dumme Kuh, lass mich in Ruhe, blöder Oberdepri.
    Die Kinderkrebshilfe schenkt Sarah zweihundert Franken. Sarah bestellt zwei Blumensträuße, einen für den Vater, einen für die Mutter, Gutscheine für die Schwester. An Sarahs Rücken, Gesäß und Hüfte leuchten rote Streifen, kein Grund zur Sorge, sagen die Ärzte, nicht ungewöhnlich, erhebliche Hyperammoniämie, zu viel Ammoniak im Blut, leichte Nebenniereninsuffizienz.
    Der Vater, Finanzfachmann, geht täglich zur Arbeit, er weint heimlich, kommt abends wieder und schweigt, hält sich fest am Glück der ersten Jahre, als er Sarah im Tragetuch hatte, als Sarah, umgeben von zehn Schnullern, im Bettchen schlief und erwachte, sobald er das Zimmer verließ, als er, noch kein Jahr her, mit Sarah am Rand des Grand Canyon stand, er und Sarah, seine Älteste, sprachlos im Licht der aufgehenden Sonne.
    Machen Sie Sport!, rät die Psychologin.
    Es ist die Krankheit, die Sarah so macht, tröstet die

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