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Von Kamen nach Corleone

Von Kamen nach Corleone

Titel: Von Kamen nach Corleone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reski Petra
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las. Und von der Mafia erfuhr. Und spürte, wie meine Tanten schauderten.
    Es war ein trüber Märzmorgen, als wir aufbrachen.Über uns wölbte sich ein grau dämmernder Himmel voller atlantischer Tiefausläufer, und mein Freund war damit beschäftigt, mit einem Ledertuch das Kondenswasser abzuwischen, das sich über Nacht von innen an den Scheiben des Renault angesammelt hatte. Ich verstaute in der Ablage die Kassetten, die wir für die Fahrt aufgenommen hatten: Genesis, »Follow me, follow you«; Supertramp, »Give a little bit«, Rod Stewart. »Da Ya Think I’m sexy?«; Roxy Music, »Dance Away«. Und natürlich jede Menge Bob Dylan. Für meinen Geschmack entschieden zu viele Bob-Dylan-Kassetten. Mein Freund hatte kurz zuvor begonnen, Gitarrenstunden zu nehmen, weil er Dylan so verehrte. Als Gegengewicht zu Dylan hatte ich eine Kassette mit Chansons von Michel Polnareff mitgenommen. »La poupée qui fait non«. »Mädchenmusik«, sagte mein Freund und drehte sich die erste Zigarette des Tages, streichholzdünn, wie immer. In einer Seitentasche des Renaults steckten der Shell-Atlas Europa, eine Packung Spearmint-Kaugummis und vier Tafeln Ritter Sport-Schokolade, Geschmacksrichtung Joghurt. Am ersten Tag wollten wir es bis zu den Alpen schaffen.
    Noch am Abend zuvor hatte meine Mutter gefragt, warum es unbedingt Sizilien sein müsse, und ich hatte geantwortet: »Weil es da bereits warm ist. Ist ja fast schon Afrika.« Das klang einleuchtend. Als wir losfuhren, stand sie fröstelnd am Straßenrand, blickte auf den Rost, der die Türen des Renaults angefressen hatte und sagte: »Bis Sizilien kommt ihr nie.«
     
    Und jetzt steht dieser Spider in unserer Straße. Vom herbstlichen Morgendunst sind kleine Tropfen geblieben, die sich auf dem Dach und der Kühlerhaube gesammelt haben. Man kann nicht behaupten, dass dieses Auto unauffälligwäre. Neben den Zechenhäusern wirkt ein weißer Alfa Romeo Spider wie eine Chimäre. Angriffslustig und funkelnd. Allein die Felgen aus ineinander verschlungenen Ringen sehen aus wie Preziosen. Weiß ist natürlich eine Damenfarbe, aber gut. Vier verchromte Auspuffrohre, Zierfelgen und meine Initialen auf dem Nummernschild. Als mein Onkel mich darauf hinweist, verschweige ich, dass dieses PR vermutlich Public relations bedeutet. Was soll ich machen, was Spider betrifft, bin ich bestechlich. Einhundertsiebzig PS. Ich wusste gar nicht, dass es Autos mit einhundertsiebzig PS gibt, mein letzter Stand waren die sechzig PS meines verblichenen Peugeot 205. Bei Autos habe ich ein gewisses Informationsdefizit, seitdem ich nach Venedig zog und meinen Peugeot verschenkte.
    »Dat is ne Granate«, sagt mein Onkel.
    »170 PS«, sage ich, »sechs Gänge.«
    Ich rede, als würde ich von Alfa Romeo bezahlt. Schamlos. Allerdings lasse der Kofferraum zu wünschen übrig. Bemerkt mein Onkel, der mir geholfen hat, meinen Koffer zum Auto zu tragen. Er müht sich damit, mein Gepäck in den winzigen Schacht zu zwingen, der sich Kofferraum nennt. Dann tritt er zurück und läuft noch mal um den Wagen, begutachtet alles, die Karosserie, die Reifen, das Dach und sagt: »Vier Auspuffrohre! Haste sowatt schomma gesehen?«
    Ich fühle mich wie ein Kind an Weihnachten. Stolz zeige ich meinem Onkel den Windschott zwischen den Überrollbügeln und die Scheinwerferwaschanlage und öffne das Dach, nur so, zu Demonstrationszwecken. Leise sirrend faltet sich das Dach zusammen und verschwindet in einer Klappe im Heck.
    »Schicker Hund!«, sagt mein Onkel. Und erkundigt sich nach dem Benzinverbrauch.
    »Ist ein Diesel«, antworte ich.
    »Ein Diesel!«, sagt mein Onkel fassungslos. »Dat passt aber nich. Ein Diesel zieht donnich.«
    »170 PS«, wiederhole ich streng.
    »Na ja, watt soll’s«, sagt er und kreuzt die Arme vor der Brust. »Und dat soll ne Testfahrt sein? Schreibste was darüber?«
    »Ja«, sage ich, »einen Testbericht.«
    Und dann schließe ich das Dach wieder, bevor es zu regnen beginnt. Außerdem könnten Ahornblätter ins Innere geweht werden. Jene wenigen Blätter, die über Nacht unbemerkt von dem Ahornbaum unseres Gartens auf den Bürgersteig gefallen sind. In Deutschland wird der Herbst zu ordentlichen Haufen zusammengefegt. Wenn er nicht gleich von der Laubsaugerarmee weggesaugt wird.
    Schließlich kommt meine Mutter aus dem Haus und verabschiedet sich von mir. Sie umarmt mich. Und steht fröstelnd am Straßenrand.
    »Wohin fährst du jetzt noch mal genau?«, fragt sie misstrauisch.
    »Nach Stuttgart,

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