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Von Mäusen und Menschen

Von Mäusen und Menschen

Titel: Von Mäusen und Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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hat euch schon gestern abend erwartet«, sagte der alte Mann. »Er war teufelswild, daß ihr heut früh nicht da wart, um mit rauszugehn.« Er machte ein Zeichen mit dem rechten Arm, und aus dem Ärmel kam ein Handgelenk, abgerundet wie ein Stock, aber keine Hand. »Ihr könnt die zwei Betten hier haben«, sagte er, indem er auf zwei Schlafstellen in der Nähe des Ofens zeigte.
    George ging hinüber und warf seine Decken auf den Strohsack aus grober Leinwand, der als Matratze diente.
    Er sah in die Kiste über der Schlafstelle und entnahm ihr eine kleine gelbe Büchse. »Was zum Teufel is das?«
    »Weiß nich«, sagte der Alte.
    »Es heißt: ›Tötet absolut sicher Läuse, Schaben und anderes Ungeziefer!‹ Was für’n verteufeltes Bett gibste uns!
    Wir wolln nich die Hosen voll mit Haustieren haben.«
    Der alte Barackenfeger schob seinen Besen herum und hielt ihn zwischen Ellbogen und Hüfte fest, während er die Hand nach der Büchse ausstreckte. Er studierte sorgsam das Etikett. »Will euch was sagen«, erklärte er schließlich,
    »der letzte Bursch, der dies Bett hatte, war ein Schmied, ein verteufelt netter Kerl und der sauberste Gesell, den man treffen kann. Wusch sich die Hände sogar nach dem Essen.«

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    »Wieso hat, er dann Wanzen bekommen?« George wurde allmählich wütend. Lennie legte sein Bündel auf die nächstliegende Schlafstelle und setzte sich nieder. Er beobachtete George mit offenem Mund.
    »Will euch was sagen«, ertönte es wieder von dem Alten.
    »Der Schmied hier – namens Whitey – war so’n Bursche, der solches Zeug aufstellte, auch wenn’s keine Wanzen hatte – bloß um ganz sicher zu sein – versteht ihr? Will euch sagen, was er zu tun pflegte. Beim Essen schälte er die Pellkartoffeln und nahm jedes winzige Fleckchen raus, was es auch sein mochte, eh er aß. Und wenn ein Ei ein rotes Pünktchen hatte, kratzte er’s fort. Schließlich ging er weg wegen der Kost. So’n Bursche war das – sauber. Zog sich immer sonntags gut an, auch wenn er nirgends hin ging, band sich ’n Schlips um und saß dann im Schlafgebäude.«
    »Bin noch nich sicher«, sagte George skeptisch. »Warum sagste, daß er wegging?«
    Der Alte steckte die gelbe Büchse in seine Tasche und rieb sich den struppigen weißen Backenbart mit den Knö-
    cheln. »Na, er ging eben weg, wie die Burschen das so machen. Sagte, es sei wegen der Kost. Wollte sich eben verändern. Gab keinen anderen Grund an als die Kost.
    Sagte bloß eines Abends: ›Meine Zeit is um‹, so wie die Burschen das eben tun.«
    George hob die Sackleinwand hoch und guckte darunter.
    Er untersuchte vornübergebeugt alles genau. Lennie stand sofort auf und machte an seinem Bett dasselbe. Endlich schien George befriedigt. Er machte sein Bündel auf und legte kleine Gegenstände auf die Bretter, sein Rasiermesser und ein Stück Seife, seinen Kamm und ein Fläschchen mit Pillen, eine Flüssigkeit zum Einreiben und Lederstul-pen für die Handgelenke. Dann machte er sich sein Bett ordentlich mit den Bettdecken zurecht. Der Alte sagte:
    »Ich glaube, der Chef wird jeden Augenblick hier sein. Er 24
    war richtig wütend, als ihr heut morgen nicht hier wart.
    Kam reingeplatzt, als wir beim Frühstück saßen und fragte: ›Wo zum Teufel sind die Neuen?‹ Und er machte dem Stallknecht die Hölle heiß, noch dazu.«
    George glättete das letzte Fältchen von seinem Bett und setzte sich dann nieder. »Machte dem Stallknecht die Höl-le heiß?« fragte er.
    »Ja doch. Ihr müßt wissen, der Stallknecht ist ein Nigger.«
    »Nigger – was?«
    »Jawoll. Aber ein netter Kerl. Hat ’n krummen Rücken, weil ein Pferd nach ihm getreten hat. Wenn der Chef in Wut is, läßt er’s am Stallknecht aus. Aber der kümmert sich nich drum. Liest viel. Hat Bücher in seinem Zimmer.«
    »Was für’n Mensch ist der Chef?« fragte George.
    »Tja – er is ’n ganz netter Kerl. Kann oft sehr wütend werden, aber ’n netter Kerl is er doch. Will euch was sagen – wißt ihr, was er an Weihnachten gemacht hat?
    Brachte ’ne Gallone Whisky hier rein und sagte: ›Trinkt tüchtig, Burschen. Is bloß einmal im Jahr Weihnachten.‹«
    »Zum Teufel, das hat er getan? ’ne ganze Gallone?«
    »Ja doch. Jesus, das war ’n Spaß. Se ließen sogar den Nigger reinkommen an jenem Abend. Ein kleiner Roß-
    pfleger namens Smitty fing eine Prügelei an mit dem Nigger. Machte seine Sache gründlich, das muß man sagen.
    Die andern Burschen ließen nicht zu, daß er seine Füße

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