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Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost

Titel: Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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liebe meine Mutter und meinen Vater. Ich bin gerne mit ihnen zusammen. Ich habe nicht aus finanzieller Notwendigkeit bis weit ins Erwachsenenalter hinein in diesem Keller gewohnt. Ich habe hier gewohnt, weil es mir hier gefiel– mit ihnen zusammen.
    Wir beendeten das Abendessen, warfen die Take-away-Pappschachteln weg und spülten das Geschirr. Wir unterhielten uns ein bisschen über meinen Bruder und meine Schwester. Als Mom Brads Arbeit in Südamerika erwähnte, spürte ich ein spitzes, heftiges Stechen– es erinnerte an ein Déjà-vu-Erlebnis, war aber alles andere als angenehm. Mein Magen zog sich zusammen. Ich fing wieder an, auf den Fingernägeln zu kauen. Meine Eltern sahen sich an.
    Mom war müde. Das war sie jetzt häufiger. Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange und beobachtete, wie sie sich die Treppe hinaufschleppte. Sie musste sich am Geländer abstützen. Ich dachte an die alten Zeiten, als sie die Treppe schwungvoll mit hüpfendem Pferdeschwanz hinaufgerannt war und die Hand nicht einmal in der Nähe des verflixten Geländers gehabt hatte. Ich sah Dad an.
    Er sagte nichts, ich glaube aber, dass auch er an die alten Zeiten dachte.
    Dad und ich gingen ins Wohnzimmer. Er stellte den Fernseher an. Als ich klein war, hatte Dad einen klappbaren Fernsehsessel in einem grässlichen Rotbraun gehabt. Das Kunstleder war neben den Nähten aufgerissen, und Metallteile hatten herausgeragt. Mein Dad, keinesfalls der beste Handwerker in der ganzen Nachbarschaft, hatte ihn mit Klebeband repariert. Aus gutem Grund wird oft kritisiert, dass Amerikaner zu viel Zeit vor dem Fernseher verbringen, aber ich verbinde einige meiner schönsten Erinnerungen mit diesem Zimmer, als Dad auf seinem Klebeband-Sessel und ich auf der Couch herumlungerte. Erinnert sich noch jemand an die klassische Samstagabend-Programmabfolge auf CBS? All in the Family, MASH, Mary Tyler Moore, The Bob Newhart Show und The Carol Burnett Show. Irgendwann fing mein Dad an, über irgendetwas, das Archie Bunker gesagt hatte, lauthals zu lachen, worauf ich mich davon anstecken ließ und mitwieherte, obwohl ich den Witz oft gar nicht verstanden hatte.
    Al Bolitar arbeitete hart in einer Fabrik in Newark. Er gehörte nicht zu den Männern, die gerne Poker spielten, mit den Kollegen herumhingen oder in Bars gingen. Er entspannte sich am liebsten im Kreis der Familie. Er hatte sehr arm angefangen, war blitzgescheit und hatte wahrscheinlich hochfliegendere Träume als den Job in dieser Fabrik in Newark gehabt, große, bedeutende Träume, über die er jedoch nie mit mir sprach. Ich war sein Sohn. Mit so etwas belastete man sein Kind nicht, ganz egal, was geschah.
    An diesem Abend schlief er bei einer alten Folge von Seinfeld ein. Ich sah zu, wie seine Brust sich hob und senkte, starrte noch eine Weile die weiß hervorscheinenden Bartstoppeln an. Schließlich stand ich leise auf, ging in den Keller, legte mich ins Bett und starrte zur Decke.
    Wieder zog sich alles zusammen. Panik ergriff mich. Meine Augen wollten sich nicht schließen. Immer wenn sie doch einmal kurz zufielen, wenn ich anfing, mich auf eine nächtliche Reise welcher Art auch immer zu begeben, riss ein Alptraum mich sofort wieder ins Bewusstsein zurück. An die Träume selbst konnte ich mich nicht erinnern, aber die Furcht blieb. Ich saß schweißgebadet im Dunkeln wie ein verängstigtes Kind.
    Um drei Uhr morgens schoss mir ein Bild durch den Kopf. Unter Wasser. Kann nicht atmen. Dieser Erinnerungsfetzen verschwand nach nicht einmal einer Sekunde wieder, worauf schnell ein anderer folgte, dieses Mal ein akustischer.
    » Al-sabr wal sayf …«
    Mein Herz wummerte, als wollte es aus meiner Brust herausspringen.
    Um halb vier ging ich auf Zehenspitzen die Treppen hinauf und setzte mich in die Küche. Ich versuchte, so leise wie möglich zu sein, wusste aber genau, was passieren würde. Mein Vater hatte den leichtesten Schlaf der Welt. Als Jugendlicher hatte ich öfter versucht, mich spätnachts heimlich an seiner Tür vorbeizuschleichen, weil ich nochmal kurz ins Bad musste. Er war jedes Mal aufgeschreckt, als hätte ihm jemand ein Eis auf die Kehle fallen lassen. Als Erwachsener in besten Jahren, als Mann, der sich für mutiger als die meisten anderen hielt, wusste ich daher ganz genau, was passierte, wenn ich auf Zehenspitzen in die Küche schlich.
    » Myron?«
    Ich drehte mich um, als er langsam die Treppe herunterkam. » Ich wollte dich nicht wecken, Dad.«
    » Ach, ich war sowieso wach«, sagte

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