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Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost

Titel: Von meinem Blut - Coben, H: Von meinem Blut - Long Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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er. Dad trug Boxershorts, die ihre besten Tage hinter sich hatten, und ein altes graues Duke-T-Shirt, das ihm zwei Nummern zu groß war. » Soll ich uns ein bisschen Rührei machen?«
    » Gern.«
    Als er fertig war, setzten wir uns an den Küchentisch, aßen das Ei und unterhielten uns über belangloses Zeug. Er versuchte, nicht allzu besorgt auszusehen, wodurch ich mich nur noch beschützter fühlte. Weitere Erinnerungen kehrten zurück. Immer wieder musste ich blinzeln, weil mir Tränen in die Augen schossen. Zwischenzeitlich wühlten die Emotionen mich so sehr auf, dass ich nicht einmal mehr sagen konnte, wie ich mich fühlte. Mir wurde klar, dass ich noch viele harte Nächte vor mir hatte. Aber mir wurde noch etwas anderes klar: Ich konnte nicht einfach dasitzen und abwarten.
    Am Morgen rief ich Esperanza an und sagte: » Vor meinem Verschwinden hatte ich dich gebeten, dass du dir ein paar Dinge genauer ansiehst.«
    » Ich wünsch dir auch einen guten Morgen.«
    » Entschuldige.«
    » Kein Problem. Was wolltest du?«
    » Du hast dir doch den Selbstmord von Sam Collins, diesen Opal-Code und die Wohltätigkeitsorganisation › Save the Angels‹ angeguckt.«
    » Stimmt.«
    » Ich muss wissen, was du gefunden hast.«
    Erst dachte ich, sie würde Einspruch erheben, aber Esperanza musste irgendetwas in meiner Stimme gehört haben. » Okay, ich bin in einer Stunde im Büro. Dann zeig ich dir, was ich gefunden habe.«
    *
    » Entschuldige die Verspätung«, sagte Esperanza, » aber Hector hat sich auf meine Bluse übergeben, dann wollte mein Babysitter über die Bezahlung reden, und Hector wollte mich nicht loslassen…«
    » Kein Problem«, sagte ich.
    In Esperanzas Büro spiegelte sich immer noch ein Teil ihrer bewegten Vergangenheit. Es gab Fotos von ihr im knappen Wildleder-Kostüm als Little Pocahontas, die » Indianer-Prinzessin«, die sie als Lateinamerikanerin gespielt hatte. Der Meisterschaftsgürtel im Zweier-Team-Catchen der Damen, ein extrem protziges Ding, das Esperanza wohl vom Brustkorb bis zum Knie reichen würde, hing in einem Rahmen hinter ihrem Schreibtisch. Die Wände waren in Veilchenblau und einem anderen Lilaton gestrichen, dessen Namen ich immer wieder vergaß. Sie hatte einen schweren, verschnörkelten Eichenschreibtisch, den Big Cyndi in einem Antiquitätenladen entdeckt hatte, und obwohl ich beim Reintragen geholfen hatte, wusste ich immer noch nicht, wie wir ihn durch die Tür gekriegt hatten.
    Dominiert wurde dieser Raum allerdings, um aus dem Handbuch der Politik zu zitieren, vom › Change‹ oder der Veränderung. Fotos von Hector, Esperanzas kleinem Sohn, säumten den Schreibtisch und den Aktenschrank. Die Fotos zeigten ihn in so gewöhnlichen und banalen Posen, dass man sie wohl als Klischee bezeichnen musste. Darunter waren ein paar Standard-Kinderporträts– mit Regenbogen als Hintergrund, wie man sie aus den Sears-Photostudios kannte–, aber auch Bilder, wo Hector beim Weihnachtsmann auf dem Schoß saß, oder mit dem Osterhasen und bunten Eiern. Es gab auch ein Bild mit Esperanza und ihrem Ehemann Tom– mit dem ganz in weiß gekleideten Hector im Arm bei seiner Taufe– und eins mit einer Disney-Figur, die ich nicht kannte. Am auffälligsten war das Bild von Hector und Esperanza auf einem Kinderkarussell, wo beide nebeneinander in einem Mini-Feuerwehrauto saßen und Esperanza so breit und dämlich in die Kamera grinste, wie ich es sonst nie von ihr gesehen hatte.
    Esperanza war ein extrem offener Freigeist gewesen. Sie war bisexuell gewesen, hatte häufig ihre Sexualpartner gewechselt, war stolz mit einem Mann, dann mit einer Frau und wieder mit einem Mann zusammen gewesen, ohne sich darum zu kümmern, was die Leute darüber dachten. Sie hatte mit dem Catchen angefangen, weil es ihr Spaß machte, und dann, als der Spaß nachließ, hatte sie abends ein Jurastudium absolviert, während sie tagsüber als meine Assistentin arbeitete. Auch wenn es schrecklich hartherzig klingt, muss ich sagen, dass die Mutterschaft einen Teil dieses Freigeists erstickt hatte. Ähnliches hatte ich natürlich schon bei anderen Freundinnen gesehen. Zum Teil verstand ich das. Ich hatte zum ersten Mal gehört, dass ich Vater bin, als mein Sohn schon fast erwachsen war, daher habe ich diesen Moment der Transformation nie erlebt, wenn das eigene Baby geboren wird und die ganze Welt plötzlich auf eine drei Komma zwei Kilogramm schwere Masse zusammenschrumpft. Genau das war mit Esperanza passiert. War sie jetzt

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