Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)
insgesamt profitierten vom friedlichen Ausgang der Kubakrise, denn bei uns waren auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs die meisten Atomraketen stationiert, wir saßen auf dem Pulverfass, das beinahe gezündet worden wäre. Das ist gerade noch mal gutgegangen.
1918 : Die Deutschen können auch Revolution
Suchen wir noch mehr Geschichten von Menschen, die sich weigerten, beim Krieg mitzumachen, so wird auch der Anfang dieses verflixten Jahrhunderts erträglicher. Am Ende des Ersten Weltkriegs geschah dies noch mal im ganz großen Stil: Revolution!
(Haben Sie sich bis jetzt alle deutschen gemerkt? 1524 – Bauernaufstände, 1848 – Märztage, 1968 – Studentenrevolution, 1989 – Friedliche Revolution in der DDR , 2011 – Rentnerrevolution auf dem Stuttgarter Bahnhof.) Aber eine große deutsche Revolution fehlt noch, und es war die erste, die auch gelang. Der König haut ab, die Republik kommt. Was will man mehr? Wie konnten die Deutschen so was schaffen?
Der Oberdeutsche war bis 1918 Kaiser Wilhelm II ., im Hintergrund zog jedoch Erich Ludendorff die Strippen, ein unsichtbarer Diktator, der weder ernannt worden war noch geputscht hatte, aber trotzdem größtmöglichen Einfluss besaß. Wenn der Kaiser einen Vorschlag machte, sagte Ludendorff: «Schöne Idee, geht aber leider nicht, und nun zu Tisch.»
Als die endgültige Niederlage der Deutschen vor der Tür stand, bekam Wilhelm einen Nervenzusammenbruch an seinem Schreibtisch. Sofort müsse über einen Waffenstillstand verhandelt werden, befand er. Und so wählte man die Nummer des amerikanischen Präsidenten Wilson. Als die Admirale und Offiziere der deutschen Flotte in Wilhelmshaven davon hörten, riefen sie in der Offiziersmesse: «Aufgeben? Mit uns nicht! Wir laufen noch ein letztes Mal aus und zeigen es dem Engländer, aber richtig!» Das sei eine Frage der Ehre. Doch den einfachen Matrosen war die Ehre nach vier Jahren Krieg egal, sie wollten nach Hause, warum sollten sie noch mal ihr Leben riskieren? Diese Frage hätten sie auch schon früher stellen können. Hatten sie aber nicht, da sie verlässliche Rädchen im Getriebe der Seestreitkräfte waren, aber diesmal gab es einen entscheidenden Unterschied: Verhandelte nicht die eigene Regierung über einen Waffenstillstand? Und war da Auslaufen und auf britische Schiffe Feuern nicht genau das Gegenteil dessen, was die Regierung wollte?
Vor diesem Hintergrund wurden in den Augen der Matrosen Admirale wie Scheer, die Auslaufbefehle gaben, zu Meuterern, sie selbst hingegen zu denen, die den Willen der Regierung in Berlin durchsetzten.
Und wenn Matrosen nicht auslaufen wollen, dann läuft auch kein Schiff aus. Kein Wunder also, dass die Marineleitung den Gedanken wieder verwarf, denn mit dieser feigen Truppe würde das eh nicht gehen. Aber sie schafften es, die Aufrührer einzusperren – und das war ein großer Fehler. Denn in anderen Hafenstädten im Deutschen Reich, so in Kiel, breitete sich die Nachricht von den eingesperrten Kameraden wie ein Lauffeuer aus, das zu einem Riesenaufstand, selbst in Berlin und sogar bis München, anschwoll. München? Gab es da überhaupt Matrosen? Wenige, aber inzwischen hatten sich längst andere Underdogs den Matrosen angeschlossen, und als in München ein Arbeiter- und Soldatenrat erklärte, dass nun er das Sagen habe, fiel der letzte bayerische König (Ludwig III .) müde vom Thron, der über siebenhundert Jahre in Familienbesitz war.
Es ging alles wahnsinnig schnell damals. Wenn Sie das nächste Mal in München sind, machen Sie doch einfach einen Spaziergang durch den Englischen Garten und stellen Sie sich vor, wie ein Passant auf sie zuläuft und sagt: «Majestät, es heißt, Sie seien abgesetzt.» So geschah es Ludwig. Er eilte zurück ins Schloss und wollte bei Kaffee und Kuchen schauen, was an diesem Gerücht dran war, doch als er eintraf, war niemand mehr da, der ihm Kaffee einschenken wollte. Das komplette Gesinde war schon abgehauen.
Das hätte man den Bayern gar nicht zugetraut, dass sie als Erste die Monarchie abschaffen und die Republik ausrufen, die man hier Freistaat nennt – bis heute.
Ein Sozi hasst die Revolution wie die Pest
Auch in Berlin brausten inzwischen Arbeiter- und Soldatenräte auf LKW s durch die Stadt und verbreiteten die frohe Botschaft. Auch sie waren schnell. Bevor Funktionsträger des Kaiserreichs Truppen zur Niederwerfung des Aufstandes alarmieren konnten, standen diese Revolutionstaxis schon selber dort vor der Tür und
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