Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)
Kosten, die dem Unternehmer entstehen, um zum Beispiel einen Automotor zu bauen, fielen unter Hitlers Herrschaft auch deshalb so rasant, weil man die Zwangsarbeiter nicht bezahlen musste – wie praktisch. Die Zahl der jungen Arbeitslosen schnurrte darüber hinaus zusammen, weil der Diktator die Waffenindustrie ankurbelte, die Wehrpflicht wieder einführte und die anderen Arbeitslosen Autobahnen mit der Schaufel bauen ließ.
Arbeitslosigkeit dadurch abzubauen, dass sich der Staat viel Geld leiht und dann die Leute, die keinen Job finden, kurzerhand selber anstellt, nennt man Keynesianismus. Man muss das Wort ein paarmal allein vor dem Spiegel üben, bevor man damit auf Partys angibt. Die Theorie ist nach ihrem Erfinder benannt, den Briten John M. Keynes. Eigentlich kam seine Lehre erst nach dem Zweiten Weltkrieg richtig in Mode, trotzdem ist für Helmut Schmidt Hitlers Wirtschaftspolitik «Keynesianismus in reinster Form».
Als Eva Herman in der Sendung von Johannes B. Kerner mit Blick auf diese Jahre feststellte: «Es sind damals auch Autobahnen gebaut worden, und wir fahren heute darauf», urteilte der Moderator: «Autobahn geht halt nicht, finde ich.» Ich dachte im ersten Moment, er kritisiere den miserablen Zustand der alten NS -Autobahnen, die man nun wirklich nicht loben kann. Dank DDR -Sozialismus gab es im Osten nach der Wende noch lange Zeit Strecken im Originalzustand. Entweder stand man dort im Stau oder ruinierte sich die Achsen des Wagens in den groben Spalten zwischen den Betonplatten. Kein Wunder, dass der Nachschub an die Ostfront früh abgerissen ist …
Helmut Schmidt äußerte im Gespräch mit Fritz Stern einen Satz, für den sich Eva Herman wahrscheinlich vor einer neu anberaumten Sitzung der Nürnberger Prozesse verantworten würde: «Wenn Hitler 1936 erschossen worden wäre, würde er heute als Held der Wirtschaftsgeschichte dastehen.» Kerner schüttelt über einen solchen Satz wahrscheinlich nur den Kopf: «‹Held der Wirtschaftsgeschichte› geht halt nicht, finde ich.»
Und angesichts des Elends, das die Deutschen während des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs über die Menschen gebracht haben, mag man ihm sogar in diesem Fall zustimmen. Die folgende Episode vermag einen winzigen Eindruck davon geben, wie umfassend die Vernichtung durch die Nazis in allen Lebensbereichen war: Als der amerikanische Schauspieler Robin Williams vor ein paar Jahren in einer deutschen Talkshow zu Gast war, fragte ihn die Moderatorin, ob er sich erklären könne, warum es in Deutschland so wenig gute Comedy gäbe. Darauf antwortete er: «Haben Sie mal daran gedacht, dass Sie alle lustigen Leute umgebracht haben?»
1945 war Deutschland wieder bedingungslos bankrott – moralisch und finanziell. Nach nur vierzehn Jahren. Da sind selbst die Griechen solider.
Die guten Jahre – das Happy End
Das 20 . Jahrhundert hat wirklich mies angefangen, doch die zweiten fünfzig Jahre können sich zumindest in der westlichen Hälfte sehen lassen. Schon direkt nach dem Krieg schien es, als habe man endlich mal aus der Geschichte gelernt. Denn den Deutschen wurde ab 1948 mit dem berühmten Marshallplan wieder auf die Beine geholfen. Hauptsächlich die USA finanzierten diese Hilfe und das, obwohl wir vorher nichts als Scherereien gemacht hatten und die Amerikaner schon viel zu viel Geld in den Krieg hatten stecken müssen. Es ist wirklich lässig und deshalb vielleicht besonders amerikanisch, jemandem Geld zu leihen, der einen noch kurz zuvor beschossen hat. Was die Griechen betrifft, ist die Lust der Deutschen, für weitere Kredite zu bürgen, schon jetzt gleich null, dabei hat Griechenland weder alle Nachbarländer überfallen und in Schutt und Asche gelegt, noch Hundertausende Menschen ermordet. Wenn dem so wäre, würden wir Deutschen wohl erst recht die Hilfe verweigern.
Die Amerikaner haben es damals, was uns betrifft, nicht getan. Sicher, sie hatten bei ihrer Hilfe auch ein strategisches Interesse, weil sich sonst früher oder später Stalin um die Probleme am Rhein gekümmert hätte.
Um die alten Gräben zwischen Deutschen, Franzosen, Engländern, die ebenfalls pleite waren, zu überwinden, war der Marshallplan daran gekoppelt, dass die Nationen sich an den Aufbau eines Europas machten, das wirtschaftlich eng zusammenarbeitete.
Klingt schon nach Vorläufer der EU , oder? Sollte es auch. Denn die Amerikaner waren der Meinung, dass Europa nicht friedlich zusammenwachsen könne, wenn ein Teil der
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