Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)
Weizenkörner mit Wasser. Es mag angesichts dieses frustrierenden Frühstücks nicht verwundern, dass man es oft vorzog, lieber die Nachbarn zu überfallen; mit Glück fand sich bei ihnen etwas Honig.
Vielleicht war die ärmliche Lebensweise unserer Vorfahren auch der Grund, warum sie sich dem Alkohol verschrieben hatten: Sie versuchten schlichtweg, sich die eigene Situation schönzutrinken. Von exzessiven Besäufnissen wird berichtet, meist mit vergorenem Getreide, einer Art Urbier.
Im Jahr 98 n. Chr. erschien auf dem römischen Buchmarkt der Bestseller «Germania», ein Bericht über die Lebensverhältnisse bei unseren deutschen Vorfahren, geschrieben von Tacitus, seines Zeichens Senator von Rom. Er betrachtete die Germanen mit der sezierenden Nüchternheit, mit der sich Forscher heute den letzten Ureinwohnern im brasilianischen Dschungel annähern würden. Wir waren für die Römer das, was die Indianer später für die europäischen Einwanderer in Nordamerika waren: die indigene Bevölkerung.
Tacitus’ Urteil: Eigentlich sei Deutschland nicht bewohnbar. «Wer will schon Italien den Rücken kehren und nach Germanien ziehen? Es hat keinen Reiz im Aufbau seiner Landschaft, sein Klima ist rau und der Gesamteindruck niederdrückend.» Vielleicht war er in Gelsenkirchen.
So oder so, Tacitus hielt die Germanen für primitiv. Kunst und Kultur? Fehlanzeige. Zwar waren wir, wie man in seinem Reisebericht nachlesen kann, wohl recht gastfreundlich; die Feiern mit den Gästen dauerten oft mehrere Tage. Am Ende gab es allerdings im Vollrausch immer eine Schlägerei, von der einige sich nie wieder erholten.
Nur ein Punkt hat Tacitus nachhaltig beeindruckt: die Treue der Germanen. Zum einen die zu ihren Anführern, die es beinahe unmöglich machte, sie mal eben als Söldner anzuheuern. Zum anderen die zu ihren Frauen, die Tacitus angesichts der verlotterten Zustände im antiken Rom besonders frappierte. Selbst Cäsar war derart umtriebig, dass seine Soldaten, wenn er sich näherte, spotteten: «Achtung, Männer, bringt eure Frauen in Sicherheit, da kommt er, unser kahlköpfiger geiler Bock.» Dies hat sich ja seitdem (siehe Silvio Berlusconi) nicht wesentlich geändert.
Als die Pyramiden von Gizeh schon Ewigkeiten standen, griechische Tempel und römische Arenen seit Jahrhunderten existierten, gab es bei uns nur diese Langhäuser mit qualmendem Feuer und pupsenden Kühen drin. Städte hatten wir auch nicht. Es wurde weder gelesen noch etwas geschrieben, erst im 4 . Jahrhundert nach Christus, als das Römische Reich langsam vor die Hunde ging, dachte sich Bischof Wulfila die ersten Runenzeichen aus. Die Sumerer hatten schon über fünftausend Jahre zuvor eine Schrift entwickelt. Ihr Siedlungsgebiet Mesopotamien, auch «Wiege der Zivilisation» genannt, lag in etwa zwischen Euphrat und Tigris – für US -Piloten waren das zuletzt nur noch Koordinaten, um ihre Bomben abzuwerfen.
Nebenbei haben die Sumerer das Rad erfunden, eine Innovation, die noch heute in exakt gleicher Form im Audi TT verbaut wird. Ebenfalls aus der Innovationsschmiede der Sumerer stammt die Töpferscheibe, mit deren Hilfe u.a. Geschirr hergestellt wurde. Die Germanen tranken ihr Biergesöff alldieweil aus abgebrochenen Kuhhörnern, die man allerdings leider nicht auf dem Tisch abstellen konnte, da sie sonst umfielen. Also trank man sie immer in einem Zug aus – vielleicht war das der eigentliche Grund für die vielen Besäufnisse.
Ich finde es spannend, wie viele Fäden von damals direkt bis in unsere Gegenwart führen. Nicht nur, dass wir seit über zweitausend Jahren zu den Völkern gehören, die am meisten Bier trinken; nach einer von vielen Erhebungen sind es inzwischen weit über einhundert Liter pro Kehle und Jahr. (Unerwähnt bleibt in diesen Statistiken allerdings, ob einfach der Gesamtkonsum in unserem Land durch 82 Millionen Einwohner geteilt wurde und damit auch jedes Kind und jedes Baby hundert Liter Bier für den Schnitt trinken musste, oder ob man eine naturgemäß vage Anzahl von männlichen und etwas weniger weiblichen, volljährigen und damit wahrscheinlich biertrinkenden Germanen ermittelte.)
Angesichts von Oktober- und Schützenfesten, auf denen Gegenwartsgermanen ihren Rausch auf, unter und neben Bierbänken und in Büschen ausschlafen, fällt mir immer wieder Tacitus’ Feststellung ein, unsere Vorfahren würden «in stumpfer Trägheit» dahinvegetieren. Sie trifft mitunter noch heute zu.
Auch die Treue, die den Römer
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